Malory
haben! Es war zum Weinen. Es war zum Verzweifeln. Und am liebsten hätte er Taishi dafür umgebracht, daß er ihn dieser Versuchung ausgesetzt hatte.
Amy sagte kein Wort, wirkte aber weder mißtrauisch noch verschämt – wann war sie das auch je gewesen? Sie verschlang ihn mit ihren tiefblauen Augen, und dabei wurde ihm bewußt, daß er nichts weiter trug als diese Hosen, die man für ihn auf-getrieben hatte. Sie waren ihm an den Waden zu eng gewesen, so daß er sie auf Kniehöhe abgeschnitten hatte. Doch jetzt kam er sich darin völlig nackt vor.
Das Schweigen zwischen ihnen dauerte an. Warren befürchtete, daß ihm die Stimme versagen könnte und er nur ein Krächzen zustande brächte. Schließlich aber machte er einen Versuch. Es kam kein Krächzen, vielmehr ein wütendes Knurren. »Womit hast du ihn bestochen? Nichts für ungut, aber wenn ich mir dich so ansehe, dann gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit.«
»Willst du mich beleidigen?« fragte sie ihn herausfordernd.
»Nicht schlecht, aber völlig überflüssig. Du hast wohl vergessen, wie schwer es ist, mich zu kränken, seit ich weiß, warum du es tust. Übrigens habe ich es mit der Drohung erreicht, am Essen zu ersticken.«
»Was erreicht?« Warren erhob sich von der Matratze und starrte sie zornig an. »Wovon redest du zum Teufel?«
»Ich habe Taishi damit gedroht, an meinem Essen zu ersticken, wenn er mich nicht zu dir ließe. Normalerweise ist er nicht so naiv. Ich wundere mich wirklich, daß er das geglaubt hat.«
Dieser verdammte kleine Chinese! Warum hatte er ihm nicht erklärt, worum es bei der Geschichte eigentlich ging!
Dann hätte ihm Warren erläutert, daß bei dem Versuch, sich bewußt zu verschlucken, nicht mehr als ein heftiger Hustenan-fall herauskam.
»Verschwinde aus meiner Kabine, Amy!«
»Geht nicht«, entgegnete sie triumphierend. »So nachlässig ist Taishi nicht. Hast du nicht gehört, wie er die Tür abgeschlossen hat?«
Er hatte es zwar nicht gehört, aber er glaubte ihr. Wie lange mußte er noch in dieser Hölle schmoren? Jede Minute war eine Minute zuviel.
»Willst du mich nicht bitten, Platz zu nehmen?« fragte sie.
Auf dem Bett, der einzigen Sitzgelegenheit? Sie trieb es wieder einmal auf die Spitze und provozierte ihn ganz bewußt.
»Ich bin hier, um mit dir zu reden«, sagte sie, während er sie nur anstarrte. »Oder glaubst du vielleicht, ich wäre aus einem anderen Grund gekommen?«
O Gott, nicht schon wieder diese verfluchten Anspielungen!
Er hielt das nicht aus, wenn sie so verführerisch vor ihm stand und sein Körper so danach lechzte, sich zu nehmen, was sie ihm schon mehrfach angeboten hatte. Glaubte sie etwa, er wäre aus Stein?
Dabei sah Amy sehr genau, woraus er gemacht war, dieser starke, muskulöse Körper – vor allem jetzt, da er mit nichts anderem als seiner abgeschnittenen Hose bekleidet war. Seine große Gestalt beherrschte die kleine Kabine förmlich – und auch sie, Amy. Ihr Verlangen, diese nackte Haut zu berühren und zu erfühlen, diesen Leib zu umschlingen und nie mehr los-zulassen, war unermeßlich. Doch sie rührte sich nicht von der Stelle. Er war viel zu wütend über ihre Zudringlichkeit und wür-de sie bestimmt zurückweisen, wenn sie es wagte, ihrem Verlangen nachzugeben. Und dieses eine Mal wagte sie es nicht.
»Du mußt mit mir reden, Warren.« Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit. »Wenn du nicht so starrköpfig wärest und etwas zu mir gesagt hättest, irgend etwas, als ich dich darum bat, wäre ich jetzt sicher nicht hier.«
»Ich weiß gar nicht, wovon du redest.«
Sie hatte in der vergangenen Woche ein weiteres Mal versucht, mit ihm durch die Wand zu sprechen, ja ihn angefleht, ihr zu antworten. Sie wußte nicht, daß er sie nicht gehört hatte.
Weil Zhang just an diesem Tag beschlossen hatte, Warren bei seinen Kampfübungen zuzuschauen. Taishi war gut, ein Meister der Verteidigung, deshalb hatte man ihn zum Wächter der Gefangenen bestimmt, seine Angriffstechniken aber waren eher mittelmäßig.
Zhangs persönliche Leibwächter dagegen besaßen ein anderes Format: Sie beherrschten Verteidigung und Angriff gleichermaßen gut. Und so fand Zhang es äußerst unterhaltsam, zu sehen, wie Warren auf Herz und Nieren geprüft wurde.
Zahlreiche Prellungen und Schrammen zeugten immer noch davon, wie hart das für ihn gewesen war. Erstaunlicherweise aber spürte er sie im Augenblick gar nicht.
»Als ich vor ein paar Tagen an deine Wand gehämmert habe
...«
»Ich war
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