Malory
war nur aufgetragen worden, wo er sie abholen und wohin er sie bringen sollte.
Sie packte rasch ihre Sachen zusammen, und zwar alles, einschließlich
der
wenigen
lebensnotwendigen
Dinge,
die sie sich selbst hatte kaufen müssen, nur für den Fall, daß die neue Unterkunft sich als genauso spartanisch wie das Cottage herausstellen sollte. Zuerst aber bat sie den Kutscher, sie nach Bridgewater zu fahren, damit sie die letzten Kleider, deren Fertigstellung sie übernommen
hatte,
vertragsgemäß
abliefern
konnte.
Glückli-
cherweise war sie in der Nacht zuvor mit der Arbeit daran fertig geworden. Die ersten fünf Kleider hatte sie in nur drei Tagen genäht, obwohl sie furchtbar erkältet gewesen war. Sie wußte, daß sie erst wieder Geld bekommen würde, wenn die Kleider fertig waren. Die Schneiderin war jedoch mit ihrer Arbeit so zufrieden gewesen, daß sie ihr auch die restliche Bestellung der Dame in Auftrag gegeben hatte, weitere drei Kleider für weitere zwei Pfund.
Jetzt besaß sie also zumindest etwas Geld. Sie bezahlte sogar ihr Mittagessen selbst, als der Kutscher gegen Mittag vor einem Gasthaus hielt – und noch etwas zusätzliches Essen zum Mitnehmen, schließlich konnte man nie wissen. Nachdem sie am ersten Tag, als sie allein gewesen war, eine solche Panik empfunden hatte, würde es einige Zeit dauern, bis sie sich keine Sorgen mehr darü-
ber machte, wo ihre nächste Mahlzeit herkommen würde.
Derek Malory hatte ihr auf jeden Fall viel zu erklären, und Kelsey hoffte nur, ihr Temperament so lange zügeln zu können, bis er ihr alles gesagt hatte. Den ganzen Weg nach London hatte sie darüber nachgegrü-
belt, und als sie am späten Nachmittag endlich angekommen waren, schmerzte ihr ganzer Körper von der Anspannung. Hinzu kamen die Erkältung und das Fieber, das sie immer noch hatte, und die Tatsache, daß weder Derek noch sonst jemand zu ihrer Begrüßung anwesend war. Alles zusammen machte sie noch reizbarer als vorher.
Es war ungefähr noch eine Stunde lang hell, so daß sie das Stadthaus erkunden konnte. Der Kutscher hatte ihr lediglich den Kamin angezündet und war dann wieder weggefahren. Für den Abend gab es große Lampen und Kerzen.
Nach gesellschaftlichen Maßstäben war es kein großes Stadthaus, aber jedes der sieben gemütlichen Zimmer bot genügend Raum, und es lag in einer hübschen Gegend mit einem kleinen Park in der Nähe. Es gab eine separate Küche mit einem Schlafzimmer für ein oder zwei Dienstboten direkt daneben – es enthielt zwei schmale Betten –, ein Eßzimmer mit einem Tisch, der groß genug war für sechs Personen, einen Salon, ein kleines
Arbeitszimmer
und
im
Obergeschoß
zwei
Schlafzimmer.
Die Tatsache, daß es so vollständig eingerichtet war, sogar mit einer Bücherwand im Arbeitszimmer, Schnick-schnack auf den Tischen, ausreichend Bett– und Tisch-wäsche und Vorräten in der Küche führte sie zu der Annahme, daß das Haus jemandem gehörte. Viele Herren
vermieteten
ihre
Stadthäuser
für
lange
Zeit,
während sie auf dem Kontinent waren oder auf ihren Landsitzen gebraucht wurden. Aber sie stellte schon wieder Vermutungen an, was sie doch eigentlich nicht mehr hatte tun wollen.
Von dem größeren Schlafzimmer kam man in ein modernes, voll ausgestattetes Badezimmer, und Kelsey beschloß sofort, daß es ihres sei – falls sie hierbleiben würde. Nachdem sie mit ihrem Erkundungsgang fertig war, nahm sie ein Bad. Die unbequeme Badewanne im Cottage war alles andere als zufriedenstellend gewesen
– sie hatte das Wasser selbst erhitzen und hinschleppen müssen. Dieses Badevergnügen jedoch war wunderbar, allerdings dehnte sie es nicht unnötig aus, da sie nicht wußte, wann Derek kommen würde.
In der Küche gab es keine frischen Nahrungsmittel, deshalb aß sie das, was sie aus dem Gasthaus mitgenommen hatte. Sie hätte auch etwas von den Vorräten nehmen können, aber sie hatte keine richtige Lust zum Kochen, zumal ihr Fieber wieder, wie jeden Abend, etwas gestiegen war. Hoffentlich wurde sie die Erkältung jetzt, wo sie wieder in London war, endlich los. Die langen Märsche nach Bridgewater jeden Tag in der eisigen Luft, einmal sogar im Regen, hatten es nicht zugelassen, daß es ihr besserging.
Das Fieber schließlich ließ sie auf der Couch im Salon einschlafen – das Fieber, das reichliche Essen, das heiße Bad und das warme, gemütliche Feuer. Als jedoch die Haustür geöffnet wurde, wachte sie auf und fand noch genug Zeit, sich
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