Malory
wegzulegen. »Du hast gesagt, daß Lord Montieth sich nicht einverstanden erklären wird, Reggie, und wenn ein Mann stur genug ist, braucht man Überre-dungskünste, um ihn von seinem Standpunkt abzubrin-gen. Daher kannst du es dir immer noch anders überlegen, verstehst du?« Er sah ihr fest in die Augen.
»Nein. Je länger ich es mir überlege, desto sicherer bin ich, daß meine Idee genau das Richtige ist.«
»Es kann sein, daß er dich dafür haßt. Hast du dir das schon überlegt?«
»Ja, das kann sein, aber das riskiere ich. Ich würde eine Eheschließung nicht in Betracht ziehen, wenn er mich nicht attraktiv gefunden hätte. Aber er hat versucht, mich zu verführen - versucht, habe ich gesagt. Nein, er wird mein Mann, Tony. Sag Onkel Edward und Onkel Jason, daß ich keinen anderen haben will.«
»Na gut«, erwiderte Tony, und dann fügte er mit einem scharfen Blick hinzu: »Aber du wirst diesen verdammten Schal nicht ablegen, hörst du? Es hat keinen Zweck, daß meine Brüder schlechter über deinen zukünftigen Mann denken, als es nötig ist.«
9.
Es war halb zehn abends, und Nicholas saß in seiner Kutsche vor Edward Malorys Haus am Grosvenor Square, dreißig Minuten zu spät für seine Verabredung, doch er machte keine Anstalten, aus seiner Kutsche zu steigen.
Er hatte den Versuch aufgegeben, dahinterzukommen, was das alles bedeutete. Als Anthony Malory ihn am Vormittag zu sich zitiert hatte, war ihm absolut klargewesen, was das hieß. Aber da es zu diesem morgendlichen Treffen nicht gekommen war, wußte er jetzt nicht mehr, was er von alldem halten sollte. Er konnte sich nicht vorstellen, daß Dereks Onkel Edward, der sachliche Geschäftsmann, ihn zum Duell fordern würde, aber worum sonst konnte es gehen? Zum Teufel damit!
Reggie beobachtete die Kutsche von einem Fenster im oberen Stockwerk aus, und ihre Nervosität hatte sich zu heller Panik gesteigert. Das, was sie in Bewegung gesetzt hatte, würde ihm gar nicht gefallen. Nein, mit Gewißheit nicht. Er mußte einen Verdacht haben, warum man ihn hierherbestellt hatte. Warum sollte er sonst zögern, das Haus zu betreten?
Oh, Onkel Edward hatte eine ganze Menge über Lord Montieth zu sagen gehabt und darauf bestanden, ihr mög-lichst deutlich klarzumachen, worauf sie sich einließ. Er kannte die Familie Eden seit Jahren, und er war sogar sehr gut mit Nicholas' Vater befreundet gewesen. Daher wußte Reggie jetzt alles, einschließlich der Geschichten über die beiden anderen jungen Frauen, um die er Skandale ent-facht hatte, weil sie schwach genug gewesen waren, seinem Charme zu erliegen. Er war verantwortungslos und gewissenlos, er konnte kalt und arrogant und auch sehr übellaunig sein. Der Charme, mit dem er den Damen be-gegnete, war bei weitem nicht alles, worauf man bei diesem Mann gefaßt sein mußte. Ja, sie hatte sich all das angehört, aber zu Onkel Tonys größtem Unwillen auf ihrer Entscheidung beharrt.
Reggie stand in Amys Zimmer, um aus dem Fenster sehen zu könne, und sie dankte dem Himmel dafür, daß sie allein im oberen Stockwerk war. Tante Charlotte hatte ihre gesamte Kinderschar eingepackt, die ausnahmslos lautstark protestiert hatte, und sie waren fortgefahren, um die Nacht bei einer Freundin außerhalb von London zu verbringen. Reggie war es gestattet worden hierzubleiben, damit sie nicht bis zum nächsten Morgen warten mußte und erst dann von ihrem Los erfuhr. Aber sie sollte oben bleiben und sich in keiner Weise in das Geschehen einmischen. Onkel Tony war in diesem Punkt unerbittlich gewesen. Selbst, wenn sie hören sollte, daß unten die Hölle losbrach, durfte sie sich nicht ins untere Stockwerk wagen.
Der Butler nahm Nicholas Hut und Handschuhe ab und führte ihn in den Salon. Zu seinem Erstaunen erwies sich das Haus als weitaus größer, als es von außen den Anschein hatte. Er wußte, daß Edward Malory mehrere Kinder hatte. Dieses Gebäude war entschieden groß genug für eine mehrköpfige Familie. Die beiden oberen Stockwerke waren vermutlich ausschließlich den Schlafzimmern vorbehalten, dachte er, und das Erdgeschoß wirkte selbst für einen Ballsaal geräumig genug.
»Sie werden erwartet, Mylord«, verkündete der Butler, als sie vor dem Salon standen. Das Gesicht des Angestellten war ausdruckslos, aber seine Stimme drückte Mißbilli-gung aus. Nicholas hätte am liebsten gelacht. Er wußte, daß er sich verspätet hatte.
Es verließ ihn jedoch jeglicher Humor, als der Butler die Tür geöffnet und sie dann
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