Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manche Maedchen raechen sich

Manche Maedchen raechen sich

Titel: Manche Maedchen raechen sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Marr
Vom Netzwerk:
haben.“
    „Miss Boans!“ Direktor Hollerings verzog seinen schmalen Mund.
    Keine Ahnung, was mit mir los war. Ich konnte auch nichts dagegen tun. Wenn mich jemand angreift, muss ich mich doch wehren, oder nicht? Das ist reiner Überlebensinstinkt! Und hatte meine Mutter mir nicht genau das beigebracht?
    „Ich habe Kontakt zu Ihrer Mutter aufgenommen, nachdem mich M r Carter über Ihr plötzliches Verschwinden gestern in Kenntnis gesetzt hat.“
    „Prima.“
    „Miss Boans, ich würde Sie mit dem allergrößten Vergnügen bei Ihrer Mutter abliefern, damit Sie die Sache unter sich ausmachen. Bedauerlicherweise hat Ihre Mutter mir mitgeteilt, dass sie heute Morgen für zwei Wochen verreist ist. Hat sie Ihnen das denn nicht gesagt, als Sie gestern so überraschend zu Hause aufgetaucht sind?“
    „Nein, ich habe meine Mutter gestern nicht gesehen. Aber sie muss irgendwann nach Hause gekommen sein. Sie hat mir nämlich eine n … ähm, mein Mittagessen in den Kühlschrank gestellt. Wahrscheinlich habe ich noch geschlafen, als sie heute Morgen los ist.“
    Direktor Hollerings warf M r Carter einen strengen Blick zu, doch der schaute ihn bloß mit glasigen Augen an.
    „Ihre Mutter findet es also in Ordnung, eine Siebzehnjährig e …“
    „Sechzehn.“
    „ … ihre sechzehnjährige Tochter für zwei Wochen allein zu lassen, um in der Gegend herumzureisen? Das ist außerordentlich.“
    Ich zuckte die Schultern. „Meine Mutter ist eine viel beschäftigte Frau. Und ich bin ausgesprochen selbstständig. Gestern Abend habe ich ganz für mich allein Spaghetti Bolognese gekocht.“
    „Miss Boans“, sagte Direktor Hollerings und faltete die Hände, sodass sie aussahen wie ein kleines Zelt. „Ich habe Ihre Mutter über Ihr gestriges Verhalten informiert und wissen Sie, was sie gesagt hat?“
    „Was denn? Ich meine: Was hat sie gesagt, Sir? “
    „Sie hat gesagt, ich solle entscheiden, was nun mit Ihnen geschieht. Ich solle tun, was ich für angemessen halte. Als Anwältin mag sie von mir aus eine mehr oder minder bedeutende Persönlichkeit sein, aber als Direktor dieser Schule darf ich doch etwas mehr Engagement erwarten! Was ich für angemessen halte! Das ist wirklich außerordentlich!“
    Die Art, wie Direktor Hollerings mich ansah, machte mich noch wütender. Wer benahm sich denn hier daneben? War ich das in seinen Augen? Oder war es nicht vielmehr er, weil er mich für das peinliche Verhalten meiner Mutter auch noch demütigte? Oder war es am Ende meine Mutter, deren Gucci-Täschchen am Garderobenständer hing, während sie selbst es vorzog, woanders rumzuhängen?
    „Miss Boans, uns ist es weitaus lieber, wenn Eltern sich in Situationen wie diesen einbringen, aber da dies nun nicht der Fall ist, liegt es wohl allein bei uns, Sie einer disziplinarischen Maßnahme zuzuführen.“
    „Gut.“
    Womit wir wieder bei dem Motto der Schule waren, das hinter Hollerings’ Glatzkopf prangte. Erkenne dich selbst. Belohne dich selbst. Bestrafe dich selbst.
    Irgendwann mussten ein paar alte Männer wie Direktor Hollerings, die nie eigene Kinder gehabt hatten, auf die Idee gekommen sein, die Worte eines toten griechischen Philosophen zum Thema Demokratie zur Grundregel dieser Schule zu erkläre n – Hippokrass oder wie der hieß.
    Und die Eltern fuhren total drauf ab und setzten alles daran, nach East Rivermoor zu ziehen. Sie rissen sich regelrecht darum, Hollerings einen Haufen Kohle in die Taschen zu stopfen, damit ihre Zöglinge auf seine Schule gehen durften. Es hieß, die Schüler würden wie Individuen behandelt, auf all ihre Bedürfnisse und persönlichen Eigenheiten würde Rücksicht genommen werden. Offensichtlich wollte man uns all das bieten, was unsere Eltern früher auch gern gehabt hätten.
    Die Wirklichkeit sah so aus: Wir durften tun und lassen, was wir wollten, solange man uns nicht erwischte. Dann wurde es nämlich kompliziert. Man erwartete von uns, dass wir uns wie Erwachsene benahmen, aber Erwachsene schwänzten nun mal nicht den Unterricht. Und nur, weil Hollerings uns deswegen nicht auf die Finger klopfen konnte, hieß das noch lange nicht, dass uns eine weniger schmerzhafte Strafe erwartete.
    Erkenne dich selbst. Belohne dich selbst. Bestrafe dich selbst.
    „Wollen Sie noch irgendetwas zu Ihrer Verteidigung vorbringen?“, fragte Direktor Hollerings.
    Das klang ja gerade so, als würde ich gleich meine Letzte Ölung empfangen. „Kann ich vielleicht kurz erklären, was gestern passiert ist? Ich

Weitere Kostenlose Bücher