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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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von
zwei Generationen in geheimen Diensten, was naturnotwendig auch ein Leben im
Verborgenen bedeutet. Von den Leistungen seines Vaters im Zweiten Weltkrieg
hatte er während seiner Ausbildung nur gerüchteweise gehört. Veteranen der
Firma hatten nur Andeutungen darüber gemacht, wie Withers senior die spanische
Währung manipuliert hatte, um sicherzustellen, daß dieses Land nicht auch nur
im Traum daran dachte, plötzlich abzuspringen und seinen faschistischen
Seelenverwandten gegen die Alliierten beizustehen.
    Als Walters Mutter sagte: »Es ist schön, dich über Weihnachten zu Hause
zu haben«, wußte er, daß sie ihn nach seinem Krieg in Europa willkommen hieß.
    Es war vielleicht ein Kalter Krieg, aber immer noch ein Krieg, dachte
Walter. Man kommt ohne Medaillen und Ruhm nach Hause, aber mit einer
wasserdichten Legende und gefälschten Referenzen, die sie stützen.
    Selbst das Haus scheint seine Geheimnisse zu wahren, dachte Walter,
wenn er es einmal mit den Augen eines Veteranen betrachtete. Schließlich war
das Haus in der Zeit gebaut worden, als ein Haus die Welt noch ausschließen und
nicht hereinlassen sollte. Keine großen Fenster, keine Glas-Schiebetüren,
keine Innenhöfe in dem Haus, in dem er aufgewachsen war - oder nicht erwachsen
geworden war, so, wie die Dinge lagen. Nein, das Zuhause der Withers war ein
altes, solides, zweistöckiges Rechteck mit massiven Türen und einem
Steinfundament. Ein Haus, in dem Geheimnisse sicher untergebracht waren.
    »Und es ist schön, zu Hause zu sein, Mutter«, erwiderte Walter.
    Also reichten sie die Kartoffeln herum, den Truthahn, die Sauce, die
Erbsen und Karotten. Dann gab es Kürbis-Pie, Apfelpastete und die Platte mit
Weihnachtsgebäck. Anschließend wurde der Tisch abgeräumt. Sie erledigten den
Abwasch selbst, weil Barbara nicht zulassen wollte, daß ihre Haushaltshilfen
am Weihnachtstag ihre Familien allein ließen.
    Dann zogen sie sich ins Wohnzimmer zurück, wo Roger das Kaminfeuer
wieder in Gang brachte, während Barbara es sich mit einer Tasse Tee gemütlich
machte. Anschließend wurden Geschenke ausgetauscht. Die Kinder hatten ihre natürlich
schon am Morgen aufgemacht. Jetzt kamen nur noch die von Großmutter und Onkel
Walter.
    Wie gewohnt hatte Onkel Walter Manhattan durchkämmt, um die
scheußlichsten und lärmendsten Spielzeuge zu erstehen, die überhaupt denkbar
waren. Er hatte glückliche Stunden bei Schwartz verbracht und Geschenke ausgewählt,
die im Haushalt der Kenners die größtmögliche Unruhe und das größte nur
denkbare Chaos auslösen mußten, und jetzt freute er sich diebisch über
Elizabeths Gesichtsausdruck, als ihre Kinder auspackten. Zum Vorschein kamen
Trommeln, Spielzeuggewehre mit Zündplättchen, drei Hula-Hoop-Reifen, ein
Malkasten, eine Ausrüstung für »Kinder-Detektive« mit Stempelkissen für
Fingerabdrücke sowie ein Chemiebaukasten, in dem es von unappetitlichen,
aufdringlichen Düften nachgerade wimmelte. Die Teppichreinigung würde noch
viel Geld verdienen. Die aufgeregten Schreie »Vielen Dank, Onkel Walter!«
quittierte er mit einem bescheidenen Lächeln, einem Achselzucken und »Wißt
ihr, ich hoffe nur, ihr könnt die Sachen gut gebrauchen«, während Roger ihm
mißbilligende Blicke zuwarf.
    Roger schenkte er sehr guten Pfeifentabak von Dunhill, seiner
Schwester Parfüm von Saks und seiner Mutter eine antike Schmucknadel, die er im
Village gefunden hatte, Frühstück bei Tiffany und einen
Seidenschal.
    Onkel Walter wiederum erhielt von Roger und Elizabeth schottische
Socken »für diese Privatschnüffler-Schuhe«, von den Kindern ein kleines
Reise-Schachspiel und von seiner Mutter einen Kaschmir-Blazer.
    »Sieht aus, als wäre Batista jetzt am Ende«, bemerkte Roger, nachdem
alle Geschenke ausgepackt waren und die Kinder begonnen hatten, ihre neuen
Besitztümer mit dem gebotenen Ernst zu untersuchen. »Sieht aus, als würde
Castro gleich in Havanna einmarschieren und Walzer tanzen... oder sollte ich
vielleicht lieber >Samba< sagen?«
    »Hast du was dagegen, Roger?« fragte Walter.
    »Gegen Castro?« fragte Roger zurück und gab sich Mühe, sein
pädagogischstes Stirnrunzeln aufzusetzen. »Der Mann ist Kommunist.«
    »Eher Sozialist, würde ich sagen«, gab Walter zurück.
    »Das ist doch das gleiche«, bemerkte Roger.
    Walter sagte: »Wie auch immer: Was soll's?«
    »Neigst du jetzt den Roten zu, Walter?« höhnte Roger.
    »Ich halte den Kommunismus für eine wunderschöne Idee«, sagte Walter.
    »Lieber

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