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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Jaja … natürlich … so ein Unfall … Haben Sie besten Dank, Herr Doktor …«
    »Aber bitte, Herr Hauptmann … Heil Hitler!« sagte der Arzt.
    *
    Der SS-Sturmführer sah erstaunt auf den Hauptmann, der vor ihm stand. Die ungeheuerlichen Vorwürfe, die er aussprach, wischte er mit einer Handbewegung weg.
    »Das ist völlig unmöglich«, sagte der SS-Sturmführer. »Das muß ein Irrtum sein …«
    »Ein Irrtum?!« Heinrich Emanuel Schütze beherrschte sich mühsam. »Mein Sohn liegt zusammengeschlagen in der Klinik, meine Frau wurde belästigt, meine Wohnung ist durchwühlt, es fehlen Briefe …«
    »Uns ist überhaupt nichts bekannt.« Der SS-Führer sah treuherzig zu Schütze hinauf. »Wir werden uns nie erlauben, gegen einen Offizier unserer Wehrmacht oder gar gegen seine Familie so vorzugehen. Wir haben ja auch gar kein Recht dazu …«
    »Aber es ist geschehen!«
    »Ich versichere Ihnen, daß überhaupt kein Anlaß vorliegt. Bitte, lassen Sie sich bei Obergruppenführer Heydrich melden. Er wird ihnen das bestätigen.«
    »Es waren zwei Mann Ihrer Dienststelle, die sich wie die Vandalen benommen haben –«
    »Unsere SS-Männer sind keine Vandalen«, sagte der Sturmführer steif.
    »Ich verlange eine Untersuchung dieses Vorganges.«
    »Da ist nichts zu untersuchen. Alle Einsätze werden von mir persönlich befehligt. Ich habe nie zwei Mann zu Ihnen geschickt. Nie! Es müßte ja dann ein Aktenstück ›Schütze‹ vorhanden sein. Es ist absurd, dies zu denken.«
    Heinrich Emanuel Schütze starrte den glatten Mann in der schwarzen Uniform mit den beiden SS-Runen und dem Totenkopf an. Daß hier etwas geleugnet wurde, dessen Opfer vierhundert Meter weiter in einem Krankenbett lag, war so unfaßbar, daß ihm die Argumentation fehlte, diese Mauer der Falschheit zu zertrümmern.
    »Wer war es dann, der meinen Sohn niederschlug?«
    »Das ist eine andere Frage. Mit ihr werden wir uns sehr intensiv beschäftigen. Vielleicht waren es Einbrecher, die sich in SS-Uniformen verkleideten? Die Gangster sind heute zu allem fähig …«
    »Das stimmt«, sagte Hauptmann Schütze und sah dabei den SS-Führer groß und provozierend an.
    »Was ist denn gestohlen worden?«
    »Briefe.«
    »Sonst nichts?« Der SS-Sturmführer wiegte den Kopf. »Waren Sie schon bei der Polizei? Wir sind nur für politische Delikte verantwortlich. Einfacher Einbruch ist Sache –«
    »Was wollen Sie von mir?« Hauptmann Schütze achtete nicht darauf, daß der SS-Führer aufstand und das Gespräch damit beenden wollte. »Wollen Sie Rechenschaft darüber, daß ich nicht Hilfestellung bei dem Abtransport politischer Gegner leistete? Daß ich einen SS-Führer verprügelte, weil er frech wurde? Daß ich SA-Männer hinderte, unter dem Mantel der Beschlagnahme zu plündern … Wollen Sie noch mehr wissen?«
    »Diese Dinge werden zwischen SS-Obergruppenführer Heydrich und Ihren Chefs geregelt werden. Wenn Sie diese Dinge in Zusammenhang mit dem angeblichen Überfall in Ihrer Wohnung bringen wollen, darf ich Ihnen sagen, daß die Uniform eines Hauptmannes nicht Exteritorialität gegenüber der SS bedeutet.«
    »Sie drohen mir?«
    »Ich kläre die Begriffe, Herr Hauptmann. Und ich wiederhole: Es war niemand von uns in Ihrer Wohnung. Der ganze Vorgang ist uns unverständlich. Wenn Sie sich an die Kriminalpolizei …«
    Steif, angefüllt mit Ekel, verließ Heinrich Emanuel die Prinz-Albrecht-Straße.
    Der SS-Sturmführer drückte auf eine Taste, als Hauptmann Schütze das Zimmer verlassen hatte. »Haben Sie alles mitgeschrieben, Pelzer?« fragte er.
    »Jawoll, Sturmführer. Die Abhöranlage klappt prima.«
    »Bringen Sie das Geständnis sofort zum Chef.« Er schaltete die Sprechanlage aus und nahm sich eine Zigarette aus einem silbernen Kasten, dessen Deckel ein Adler mit dem Hakenkreuz zierte. »Der Mann wird gefährlich«, sagte er dabei. »Er ist zu korrekt –«
    *
    Christian-Siegbert hatte Ostern sein Abitur gemacht. Er bestand es mit guten Zensuren. Jetzt meldete er sich freiwillig zur Wehrmacht als Offiziersbewerber.
    Von der SS hörte Heinrich Emanuel nichts mehr. Auch seine Kommandeure sprachen ihn nicht mehr über die Vorfälle im Egerland an. Man schob ihn lediglich wieder auf einen ruhigen Posten ab und übergab ihm ein Ausbildungsbataillon. Mißmutig ging er morgens in die Kaserne, sah von seinem Fenster aus zu, wie die Rekruten gedrillt wurden, erledigte den stumpfen Bürokram und machte nur von sich reden, daß er eines Nachmittags das gesamte

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