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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aufrecht gehalten hatte, brach auseinander. Er sank in sich zusammen. Er schlug die Hände vor die Augen und ließ sich nach hinten auf die Decken fallen. »Warum mußten wir uns begegnen?« stöhnte er. »Warum ist das Schicksal so gemein? So hundsgemein? Hunderte Kilometer sind um uns … aber hier, in der Nacht, mit dem Willen, uns zu töten, müssen wir uns treffen.« Er schnellte hoch. Schwankend stand er vor dem Bett. Der Schmerz in seinem zerschossenen Bein verzerrte sein Gesicht. »Warum hast du mir das gesagt? Warum hast du mir nicht den Glauben an den toten Vater gelassen? Meine Mutter war für mich wie ein Engel … und nun …«
    »Ist sie jetzt anders?« Schützes Stimme schwoll an. Er riß sich die Mütze vom Kopf und trat auf Pierre zu. »Sag ein einziges Wort gegen deine Mutter, und ich schlage dich zu Boden! Bei Gott, ich tu's! Hat sich etwas geändert, nun, wo du weißt, wer dein Vater ist?«
    »Ja!« Pierre Bollet ballte die Fäuste. »Ich will keinen deutschen Vater haben!« schrie er.
    »Sind wir Unmenschen?«
    »Ich hasse die Deutschen!«
    »Du bist noch zu jung. Du bist fanatisch. Du glaubst der Propaganda. Als wir damals – 1914 – nach Frankreich einrückten, flog uns voraus: Die Boches hacken den Kindern die Hände ab. Alle Frauen werden geschändet. Die Brüste werden ihnen abgeschnitten … Du hättest es geglaubt, wie du heute alles glaubst. Ich hätte es in deinem Alter auch getan.«
    »Zweimal habt ihr unser Land vernichtet. Unsere Städte sind zertrümmert. Hunderttausende Witwen hinterlaßt ihr. Euer Schritt ist Untergang … noch heute wächst dort, wo ihr 1917 gelegen habt, nichts als wildes Gras. Und jetzt geht es weiter …« Er schlug wieder die Hände vor die Augen. Erschütterung und Entsetzen durchschüttelten seinen schmächtigen Körper.
    »Und ich bin der Sohn eines Deutschen! Ich – ein französischer Offizier!« Er riß sich zusammen, schwankte auf den zurückweichenden Schütze und streckte beide Arme aus. »Gib mir deine Pistole …«, stammelte er.
    Heinrich Emanuel war bis zur Wand zurückgewichen. Er hatte beide Hände auf seine Pistolentasche gelegt. Kalkweiß war sein Gesicht.
    »Du weißt nicht, was du sagst …«, stammelte er.
    »Soll ich dich zwingen, mich zu erschießen? Soll ich meinen Vater angreifen, schlagen, töten wollen, nur damit er mich erschießt?« Pierre Bollet stützte sich auf eine Stuhllehne. Er umkrallte das Holz, um aufrecht zu stehen.
    Heinrich Emanuel Schütze hatte die erste Lähmung überwunden. Mit drei Schritten war er bei Pierre, zögerte, sah in das schmerzverzerrte, bebende Gesicht … dann schlug er zu, mehrmals, mit der flachen Hand. Es klatschte laut. Der Kopf Pierres pendelte hin und her, als hätte er keinen Halt und säße auf einem Spiralhals.
    »Das hat dir vierundzwanzig Jahre lang gefehlt!« schrie Schütze. »Die Hand eines Vaters! Vernunft sollte man dir einschlagen! Hier – sieh dir das an … komm mit …« Er zerrte den Schwankenden zum Fenster und riß die Flügel auf.
    Der Morgen lag über dem Land wie eine goldene Scheibe. Die Weingärten glitzerten. Noch waren die Dächer der Geräteschuppen rot von der Morgensonne. Drei Bauernwagen rumpelten über die Straße. Kräftige Ochsen mit großen, gebogenen Hörnern zogen sie. Unter ihren Hufen wirbelte der Staub auf. Ein heißer Tag kündigte sich an.
    »Da ist das Leben, du Feigling!« schrie Schütze und drückte den Kopf Pierres durch das Fenster. »Riechst du die Gärten? Siehst du die Sonne, wie sie über den Feldern steht? Hörst du die Lerchen? Es wird nicht lange dauern, und der Gesang der Winzerinnen klingt wieder über die Weinhügel. Ist das nicht ein schönes Leben? Und so etwas willst du wegwerfen, weil dein Vater ein Deutscher ist? Nur, weil er eine andere Sprache spricht? Ist er darum kein Mensch mehr? Mein Gott – könnte man doch aus allen Gehirnen diesen Wahnsinn herausschlagen. Menschen sind wir. Nur Menschen. Weiter nichts.« Er riß Pierre herum. »Sieh mich an. Du hast meine Stirn, meine Nase, meinen Mund … immer, wenn dich deine Mutter ansah, dachte sie an mich. Ist das eine Schande …? Sag, ist das eine Schande?«
    Er schüttelte den schmächtigen Körper. Pierre hielt sich an Schützes Schulter fest. »Verstehst du nicht –«
    »Ist es eine Schande?!« brüllte Schütze. »Wenn du ein einziges Wort gegen deine Mutter sagst, erschieße ich dich wirklich.«
    Pierre Bollet sah seinen Vater aus flatternden Augen an. Dann brach er mit einem

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