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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zurück zu den Franktireurs«, sagte Schütze laut.
    Der General fuhr herum. Er klemmte sein Monokel ins Auge, musterte Schütze mit stechenden Augen und verließ dann schnell den Raum. Im Hinausgehen sagte er sehr deutlich: »Unerhört.«
    Nachdenklich sah der Major und Ia des Stabes auf die zugeschlagene Tür. »Der Krieg ist eigentlich eine Sauerei«, sagte er langsam. »Wenn man bedenkt, wie begeistert wir ihn begrüßt haben … und was daraus geworden ist …«
    »Was wird mit mir, Herr Major?« Oberleutnant Schütze betrachtete seine Hände. Sie waren aufgequollen, weiß, fast gefühllos.
    »Sie kommen erst einmal in ein Lazarett. Wie Sie sehen, ist mit Ihrer glücklichen Rückkehr der Fall längst nicht beendet.«
    In der Divisions-Krankensammelstelle betrachtete sich Stabsarzt Dr. Langwehr die Hände, Füße, Ohren und Oberschenkel Schützes genau.
    »Noch ein paar Stunden und es wäre aus gewesen«, sagte er ernst. »Sie haben vorerst ein paar Wochen Ruhe, mein Bester. Und in die Heimat kommen Sie auch. Wenn wir ganz großes Glück haben, bleiben die Finger der linken Hand dran.«
    Schütze zog seine Hände zurück, als sollten sie sofort abgenommen werden.
    »Amputieren … Herr Stabsarzt … das … das bedeutete … Ich soll ein Krüppel werden?«
    »Ich habe gesagt: Vielleicht bekommen wir sie so hin.« Stabsarzt Dr. Langwehr füllte einen Krankenbogen aus. »Haben Sie einen Wunsch? In welches Heimatlazarett wollen Sie?«
    »Wenn es möglich ist … nach Breslau …«
    »Ein bißchen weit. Ich will es versuchen.« Er sah auf die Angaben Schützes und nickte. »Sie kommen aus Breslau? Das ist gut. Dann nehmen Sie später kein Bett weg, sondern können ambulant behandelt werden. Wir werden noch viele Betten brauchen.«
    »Mit unserer Frühjahrsoffensive wird der Krieg beendet sein.«
    »Gott geb's! Ich habe manchmal das Gefühl, daß der Krieg jetzt erst anfängt.«
    Schütze sah auf seine Hände. Wenn ich sie bloß behalte, schrie es in ihm. Was soll ich als Krüppel machen? Ich habe doch nichts anderes gelernt, als Offizier zu sein. Zwar gab es noch den Großvater Sulzmann und den Baron v. Perritz … aber was ist ein Heinrich Emanuel Schütze ohne Finger.
    Stabsarzt Dr. Langwehr klopfte Heinrich Emanuel auf die Schulter. »Geh'n Sie erst mal in die Heimat. Einen schönen Schock haben Sie auch mitbekommen. Wenn man Ihren Bericht liest … phantastisch einfach.«
    »Das Warten auf das Sterben ist nicht phantastisch. Es ist die Hölle.«
    »Natürlich, natürlich. Den Jungs da vorne im Schützengraben geht's nicht anders. Wenn die Kanonen aufbrüllen und die Poilus auf sie zulaufen, stockt auch ihnen das Herz. Allen. Nur die da wollen, daß die Jungs im Schützenloch stehen, glauben an Heldentum und reden viel davon. Wer hier bei mir durchkommt und zusammengeflickt werden will, brüllt anders. Der klammert sich an sein zerfetztes Leben und schreit: Hilf mir, Doktor! Ich will nicht sterben! – Bei vielen nützt dieses Wehren nichts mehr … machen Sie einer zerfetzten Brust klar, daß sie heilen muß, weil der Junge leben will. Und auch der Gasbrand kümmert sich nicht darum. Nur der Kammerzahlmeister kommt zu mir und fragt: Kann man die Uniformen, wenn man sie gewaschen hat, noch tragen? Sehen Sie doch bitte zu, daß man bei Sterbenden die Uniformen nicht mehr aufschneidet. Es hat ja doch keinen Zweck und verdirbt nur die Uniformen.«
    Sehr nachdenklich verließ Heinrich Emanuel Schütze das Verbandszimmer des Divisionsarztes. Er wurde in ein Einzelzimmer gelegt, mit umwickelten Händen, Füßen und Ohren. Er sah aus, als sei mit der Detonation einer Granate auch er auseinandergespritzt, und was übriggeblieben war, hatte man wieder zusammengebunden.
    Acht Tage später wurde er nach Breslau verlegt. Da er selbst nicht schreiben konnte, hatte er einer Krankenschwester einen kurzen Brief an Amelia diktiert.
    Als der Zug im Breslauer Bahnhof einlief, standen die Familien Schütze-Sulzmann-v.Perritz fast geschlossen auf dem Bahnsteig. Draußen auf der Straße wartete eine geheizte Kutsche. Kommerzienrat Sulzmann hatte alle Verbindungen aufgeboten, Heinrich Emanuel nicht in das Reservelazarett, sondern gleich nach Hause schaffen zu lassen. Er hatte seiner Eigenschaft als Lieferant der Fleischkonserven und Heimattruppenverpflegung mit allen maßgebenden Stellen gesprochen und hatte bei diskreter Hinterlassung neutral verschnürter und nicht beschrifteter Pakete überall sahniges Wohlwollen aus den Amtszimmern

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