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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dazwischenwerfen konnte. Während sie den schreienden Christian-Siegbert ins Bett brachte und tröstete, rannte Schütze mit gesenktem Kopf und flatternden Händen im Wohnzimmer hin und her und wunderte sich, daß er nicht platzte.
    Es war offensichtlich: Jemand mußte Christian-Siegbert, dem unschuldigen fünfjährigen Kind, diesen Satz eingetrichtert haben. So etwas schnappt man nicht einfach auf … nicht in diesem Alter … so etwas war lange vorbereitet, war einstudiert worden.
    »Wenn ich diesen Kerl entdecke!« schrie Heinrich Emanuel, als Amelia aus dem Schlafzimmer kam, ihren Mann ansah, wie man einen Tobsüchtigen betrachtet, und sich dann stumm an den Tisch setzte und weiter Strümpfe stopfte. »Ich zerschlage ihm die Fresse. Jawoll, das werde ich. Ich werde ordinär wie meine Umgebung werden –«
    »Du bist's bereits.«
    »Soll ich mir das bieten lassen? Ich bitte dich, Amelia. Dem Sohne eines Hauptmanns studiert man ein … Das ist ungeheuerlich. Das lasse ich nicht auf mir sitzen.«
    Am nächsten Morgen wurde Christian-Siegbert verhört. Er sagte brav aus. Der älteste Sohn von Dickberts war's. Er war Mitglied der kommunistischen Jugend.
    Heinrich Emanuel nahm Hut, Mantel und Mappe und rannte aus dem Haus. Vergeblich rief ihm Amelia nach: »Sei doch klug, Heinrich! Du ziehst den kürzeren …«
    Schütze zog ihn nicht. Er ging gar nicht zu Dickberts. Familie Dickbert bezog jede Woche fünf Pfund Margarine. Was sollte man dagegen tun …
    Lange saß Heinrich Emanuel auf einer Bank am Rudolfsplatz und starrte auf den Verkehr um das Hahnentor.
    So verkauft man seine Ehre um fünf Pfund ›Morgenröte‹, dachte er bitter.
    Am Abend, bei einem Kameradschaftstreffen des ›Heimbundes ehemaliger Soldaten‹, hielt er eine flammende Rede gegen Reaktion und Pazifisten. Zwei Diskussionsredner brüllte er zusammen:
    »Was sagt unser verehrter General v. Seeckt: ›Das Heer dient dem Staat, nur dem Staat; denn es ist der Staat‹! – Wollen Sie Hundsfott sich gegen Seeckt stellen? Als ehemaliger Soldat? Pfui, kann ich nur rufen! Pfui!«
    Er bekam Applaus, man sang das Deutschlandlied … vor dem Lokal standen die Kommunisten und pfiffen, als die ›alten Kameraden‹ als geschlossener Block abmarschierten.
    In Heinrich Emanuel aber hatte sich seit diesem Tag ein Gedanke festgesetzt. Er hatte sich die Listen der Wehrkreise und ihrer Kommandanten beschafft und sah verblüfft, daß dem Wehrkreis VI in Münster ein Generalmajor v. Perritz als Kommandeur vorstand.
    »Sollte dies Onkel Eberhard sein?« fragte er hoffnungsfroh. »1918 war er Oberst. Er könnte es sein. Generalmajor. Wehrkreiskommandant. Du solltest einmal hinschreiben, Amelia.«
    »Warum?« fragte sie, obwohl sie wußte, was Schütze im Sinne hatte.
    »Man soll familiäre Bande nie rosten lassen«, sagte Heinrich Emanuel weise. »Schließlich ist er ein Bruder deines Vaters …«
    »Um den sich keiner gekümmert hat, weil er immer anderer Meinung war.«
    »Die individuellen Köpfe sind die besten«, dozierte Schütze. »Und als Generalmajor –«
    »Du willst ihn bitten, sich für dich zu verwenden. Du willst tatsächlich wieder Soldat werden?«
    »Soll ich Margarineverteiler bleiben?« rief Schütze erregt.
    »Vielleicht hast du auch auf anderen Gebieten Fähigkeiten. Du hast dir nie Mühe gegeben, aus dir mehr zu machen, als die Zeit es mit dir gemacht hat. Du hast nie den Ehrgeiz gehabt, einmal über dich selbst hinaus –«
    »Ich wollte in den Generalstab!« rief Heinrich Emanuel. »Und ich hätte es erreicht, wenn –«
    »Wenn – wenn – kannst du nichts anderes als Soldat sein?«
    »Nein!« schrie Schütze.
    »Und das kommt dir ganz normal vor?«
    »Ja!« brüllte er zurück. »Was wäre Deutschland ohne seine Soldaten?«
    »Ein Land, das 1,5 Millionen Männer mehr und keine Krieg verloren hätte.«
    »Du redest wie ein Kommunist.«
    »Ich rede wie eine Mutter. Und ich bin eine, von zwei Söhnen. Soll das immer so weitergehen mit uns? Muß ich dir immer und immer wieder sagen: Dein Soldatenwesen kotzt mich an? Willst du's noch deutlicher hören?«
    »Amelia.« sagte er steif. Er sah auf sie herab. So sieht ein Hahn eine unwillige Henne an, dachte Amelia. »In diesem Tone ist heute zuletzt geredet worden. Ich sehe mit Schrecken, wie wir alle verproletarisieren. Du, die Kinder … sogar ich. Es ist furchtbar. Wir werden das Steuer herumwerfen und in anderer Richtung segeln. Ich schreibe noch heute an Onkel Eberhard nach Münster.«
    Der

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