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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf das Detmolder Gymnasium. Heinrich Emanuel meldete ihn persönlich beim Oberstudiendirektor an. Er kam in voller Galauniform, denn es ist für einen Vater ein wichtiger Tag, wenn der Sohn in das Reich der Intelligenz tritt. Es ist der Schritt in die gehobene Gesellschaftsschicht.
    Christian-Siegbert war ein guter Schüler auf der Grundschule. Er hatte lauter Zweier und ein paar Einser im Zeugnis. Allerdings diente der älteste Sohn des Lehrers in der 14. Kompanie in Detmold. Aber es wäre vermessen, da irgendwo einen inneren Zusammenhang zu suchen. Christian-Siegbert war wirklich ein aufgeweckter Junge. Wenn die anderen Grimms Märchen lasen, beschäftigte er sich mit den deutschen Heldensagen, die ihm Heinrich Emanuel zu Weihnachten geschenkt hatte und ab und zu auch ihm vorlas. Von Dietrich von Bern und von Beowulf, von Totila und dem schwarzen Gotenkönig Teja. Dann zitterte Schützes Stimme vor Begeisterung, und er las es wie ein gelernter Rezitator. Amelia schwieg zu allem. Nur, wenn Heinrich Emanuel im Dienst war, setzte sie sich mit Christian-Siegbert hin und las mit ihm aus der Bibel.
    So wuchs der Junge mit einem über sein Alter hinausragenden Wissen in die höhere Schule hinein.
    Nach dem ersten Tag in der Sexta erschien am nächsten Morgen Hauptmann Schütze wieder in Galauniform beim Oberstudiendirektor. Etwas Ungeheuerliches war geschehen – die Sitzordnung in der Klasse stimmte nicht.
    In der Viererbank, in der Christian-Siegbert saß, hatte er als Nachbarn den Sohn des Detmolder Kommunistenführers Ewald Schwarz, den Sohn eines Tapezierers und den Sohn des Leiters der Detmolder NSDAP-Kreisgruppe Hugo Nüssling.
    Hauptmann Schütze intervenierte beim Schulleiter.
    »Das geht nicht«, sagte er scharf. »Auf gar keinen Fall geht das. Der Nüssling und der Schwarz als Nebenmänner meines Sohnes. Ich bitte Sie, Herr Direktor. Ich wünsche, daß mein Christian-Siegbert in eine Bank gesetzt wird, wo er Nebenschüler hat, die sozial und – reden wir schon davon – auch politisch zu ihm passen. Ich möchte von vornherein alle Reibereien vermeiden. Vor allem dieser NSDAP-Junge. Schon am ersten Tag hat er meinem Sohn ein Flugblatt mit diesem Hakenkreuz geschenkt. Getauscht haben sie es: Eine Briefmarke von Deutsch-Ostafrika gegen dieses Flugblatt. Das ist ja Betrug.«
    Man setzte den kleinen Schütze in eine andere Bank. Neben den Sohn des Amtsrichters und den Sohn des Försters. Hauptmann Schütze akzeptierte diese Lösung und war zufrieden mit seiner ersten Kampfhandlung gegen die ›aufrührerischen Elemente im Volke‹, wie er es bei einem Abiturientenvortrag formulierte.
    Allerdings konnte er den Kontakt innerhalb der Sexta nicht unterbinden. Die Jungen wurden Freunde. Wenn auch die Väter Schwarz und Nüssling sich öffentlich beschimpften und ihre roten oder braunen Kolonnen gegeneinander führten … die Söhne spielten zusammen, tauschten Briefmarken, kauften sich von ihrem zusammengelegten Taschengeld eine Schildkröte, spielten Fußball und trafen sich Sonnabendnachmittag oder sonntags am Schloß oder hinter dem Theater und veranstalteten Spiele wie ›Deutschland besiegt Frankreich‹ oder ›Räuber und Schutzmann‹.
    Viermal verbot Heinrich Emanuel den schädlichen Umgang mit Braun und Rot … dreimal verdrosch er Christian-Siegbert derb und konsequent … dann gab er es auf und beobachtete die Entwicklung, die auf seine Familie zukam. Denn auch der achtjährige Giselher-Wolfram, der im dritten Schuljahr war, kümmerte sich nicht um soziale Unterschiede und spielte auf der Straße, lediglich die stille Uta-Sieglinde blieb mit ihren vier Jahren brav bei der Mutter und kümmerte sich um unpolitische Puppen.
    »Wenn es bloß wieder eine Kadettenanstalt gäbe«, sagte Heinrich Emanuel eines Abends. »Christian-Siegbert würde sofort angemeldet.«
    »Da hätte ich auch noch ein Wort mitzureden«, widersprach Amelia.
    »Geht es dir nicht gut als Offiziersfrau?« rief Schütze erbost.
    »Wer redet vom täglichen Sattsein? Es geht um Grundsatzfragen. Sollen wir wieder die alten Lieder singen? Warum gibt es Soldaten? Warum kann die Welt nicht friedlich leben und statt Waffen soziale Einrichtungen bauen? Warum müssen immer einige Männer Ideen haben, für die Millionen leiden müssen? Gut – du bist Offizier. Ich achte das. Ich sehe sogar ein, daß es heute Soldaten geben muß –«
    »Ach«, sagte Schütze ehrlich verblüfft.
    »Ich sehe sogar ein, daß sie zum Aufbau Deutschlands notwendig sind

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