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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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überwand ihn in einem Anfall von Güte und trat in die kleine Wohnung. Im Zimmer – der Wohnküche – roch es nach Erbsensuppe. Unangenehm wurde Heinrich Emanuel an seine Zeit als Margarineverteiler erinnert. Er war völlig aus der Bahn des vorgefaßten Planes geworfen, als er auf einem Tablett die typische Verpackung sah, die er monatelang mit sich herumgeschleppt hatte … auf blauem Grund eine aufgehende Sonne. Margarine ›Morgenröte‹.
    »Ich bin gekommen, Herr Schwarz«, sagte er knapp, abgehackt, militärisch, »um mich bei Ihrem tapferen Sohn zu bedanken. Er hat meinem Jungen das Leben gerettet –«
    »Das war doch selbstverständlich«, sagte Werkmeister Schwarz verlegen. »Das ist doch Menschenpflicht. Die Jungs sind doch Kameraden –«
    »Eben. Die Kameradschaft ist die größte Tugend des Mannes. Wenn Kinder sie schon kennen, bis zum Angesicht des Todes … ich muß Ihrem Sohn meinen Dank bringen.« Heinrich Emanuel sah den Werkmeister Schwarz an. Ein ganz netter Mann, dachte er. Klein, dicklich, gemütlich. Ein braver Bürger. Wie kann so etwas nur Anführer einer Kommunistengruppe sein? Es ist unverständlich, wie damals der Marsch Ludendorffs mit Hitler zur Feldherrnhalle.
    »Meinem Jungen geht es gut«, sagte er, etwas freier in der Stimme.
    »Meinem auch. Nur die linke Hand … aber das ist in ein, zwei Wochen wieder gut. Erfrierung ersten Grades, sagt der Arzt. Nicht die Rede wert. Hauptsache, daß Ihr Junge lebend geborgen wurde …«
    »Ich danke Ihnen.« Schütze drückte Schwarz die Hand. »Kann ich Ihren Jungen sprechen …?«
    »Aber ja. Ist ein bißchen eng bei uns. Sie müssen entschuldigen. Aber als Werkmeister, na ja … zum Leben reicht es ja.«
    Sie gingen ins Schlafzimmer. Ewald lag im Bett und lächelte, als der Hauptmann an sein Bett trat und ihm die Hand hinhielt.
    »Na, mein kleiner Held«, sagte Schütze aus vollem Herzen. »Wie geht's? Bist ja ein tapferer Junge. Und damit dir die Zeit nicht lang wird, habe ich dir etwas mitgebracht.«
    Er legte die Schokolade aufs Bett. Dann packte er einen Karton aus … den Tank, die Kanone, das U-Boot-Spiel. Die Augen des Jungen tasteten zu Vater Schwarz hin. Fragend, bettelnd. Schütze drehte sich erstaunt um.
    Werkmeister Schwarz stand mit gerunzelter Stirn hinter ihm. Er hob die Hand und zeigte mit ausgestrecktem Finger auf die Gegenstände auf der Bettdecke.
    »Sie haben ein gutes Herz, Herr … Herr Hauptmann … aber – Sie müssen verstehen – mit solchen Dingen darf mein Junge nicht spielen. Panzer, Kanonen, U-Boote … daran klebt im Original zuviel Blut. Heute spielen sie damit … morgen wird es Ernst und sie sitzen in solchen Dingern. Mein Junge darf an nichts heran, was nach Militär riecht. Ich habe die Nase voll vom Soldatentum. Wir waren sieben Brüder. Sechs sind draußen geblieben. Nehmen Sie es mir nicht übel …, aber jeder hat so seine Ansichten …«
    »Natürlich, natürlich …« Schütze ging aus dem Schlafzimmer, ein wenig betreten und ein wenig beleidigt. »Ich wollte nur meinen Dank –«
    »Ich weiß.« Werkmeister Schwarz hob die Schultern. »Ich bin ein Kommunist. Aus Überzeugung. Und mein Sohn rettet den Sohn eines Militaristen. Das ist Menschenpflicht, da geht es nicht um Politik. Und deshalb … na ja … es war gut von Ihnen gemeint. Ich weiß, Herr Schütze …«
    Heinrich Emanuel verließ das kleine Siedlungshaus mit dem unguten Gefühl, eine Schlacht verloren zu haben. Zugegeben – er war gekommen, um dem kleinen Ewald zu danken. Er war voll des Dankes, er hätte Ewald – wenn es nötig gewesen wäre – neu eingekleidet, er hätte alles für ihn getan, wie der eigene Vater … und doch hatte er bei der Auswahl der Geschenke genau bedacht, was und warum er es kaufte. Das war es, was ihm jetzt voll zum Bewußtsein kam: Werkmeister Schwarz hatte den indirekten Angriff Schützes auf eine elegante Art abgewehrt. Und doch war der Dank geblieben. Die Geste.
    Hinter dem Stadttheater, in einem Doppelhaus, wohnte Hubert Nüssling. Er war freischaffender Architekt, hatte wenig zu tun und ernährte seine Familie damit, daß er im weißen Maurerkittel den Polier machte.
    Auch er war sehr erstaunt, einen Hauptmann vor seiner Tür zu sehen. Was er bisher von Schütze gehört hatte, durch einen Parteifreund, dessen Sohn in der Oberprima einen Vortrag Heinrich Emanuels über sich ergehen lassen mußte, war dazu angetan, nie an eine Annäherung der Familien Schütze-Nüssling zu glauben.
    »Sie?« fragte

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