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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bekommt man in einem Jahrhundert nur einmal zu sehen. Vielleicht nur in einem Jahrtausend. Später werdet ihr einmal sagen können: Wir waren dabei, als Deutschland erwachte.« Er hob die Hand und rief mit den anderen Tausenden: »Heil! Heil!«
    Amelia stand eingekeilt in der Menge, ihre Kinder um sich, die Hand um die Schulter Uta-Sieglindes gelegt. Sie starrte zu dem Mann empor, der ab heute sechzig Millionen regieren würde. Ein Mann mit einer schwarzen Fliege unter der Nase, mit ungepflegtem Haar, das ihm weit in die Stirn hing. Sie verstand nichts von Politik … aber unbewußt, von einem fraulichen Instinkt geleitet, war ihr dieser Mann da oben am Fenster unsympathisch. Sie war immun gegen die Dämonie, die über Millionen glitt, sie war kalt bis ans Herz, als sie sein Gesicht sah, das Millionen um sie herum anbeteten wie einen neuen Götzen. Auch Heinrich Emanuel, der mit strammer Stimme hell und weit klingend mitschrie: »Heil! Heil! Wir wollen unsern Führer sehhhn …« Amelia betrachtete ihren Mann von der Seite. Sie kannte ihn nicht wieder. Sie entdeckte eine Seite an ihm, die ihr völlig fremd war. Er ist ja begeisterungsfähig bis zum Exzeß, stellte sie verblüfft fest. Er kann sich ja in Ekstase steigern. Er ist ja wirklich so wie andere Menschen … nicht die Schöpfung eines überkorrekten Herrgotts, der statt einer Seele einen Meßstab in den Schützenkörper versenkte, mit dem er den Abstand der Uniformknöpfe genauso korrekt nachmißt, wie die zur ehelichen Pflicht benötigte Zeit.
    Warum schreit er eigentlich Heil, dachte sie weiter. Ist er wirklich begeistert von diesem grüßenden Schnurrbart dort oben am Fenster? Oder wittert er eine Chance des Aufstieges, verbindet er mit dem Heil den Ruf nach dem Generalstab, seinem großen Traumziel in all den Jahren. Eigentlich kenne ich ihn gar nicht anders als mit dem Blick zum Generalstab. Schon 1913 war es so. Beim Kaisermanöver. »Dort oben werde ich einmal stehen«, hatte er gesagt und auf den Feldherrnhügel gezeigt. Der Kaiser stand da, der König von Sachsen, der König von Griechenland, der Erzherzog Franz Ferdinand, Generaloberst v. Moltke, der alte Generalfeldmarschall v. Hülsen-Haeseler. Und dann hatte er es gewagt, den Kaiser zu besiegen. Aber das ›Heil‹-Rufen war damals wie heute aus vollen Herzen gekommen.
    Amelia faßte Heinrich Emanuel am Ärmel. »Komm«, sagte sie. »Die Kinder werden müde …«
    »Wie kann man müde werden, wenn man den Aufbruch einer neuen Zeit erlebt? Schlafen tun die Lauen.«
    »Und du bist schon ganz heiser –«
    »Was macht das bißchen Heiserkeit aus, wenn man ein neues Jahrtausend der Nation begrüßt? Amelia, weißt du überhaupt, was du heute erlebst, was du siehst, was du hörst, was nun um dich herum geschieht?«
    »Einen Mann, dem alle zujubeln, weil er besser als andere Versprechungen machen kann.«
    »Amelia!« Heinrich Emanuel nahm seinen ältesten Sohn an der Hand und drängte sich aus der schreienden Menge hinaus auf die leere Straße. Dort blieb er kopfschüttelnd stehen. »Wie kann man nur so unpolitisch sein«, sagte er fast entsetzt. »Dieser Mann da am Fenster ist die Hoffnung von sechzig Millionen Deutschen.«
    »Ein Vagabund?«
    »Es ist greulich, mit dir zu diskutieren. Du denkst nie real. Du wirst sehen, was dieser 30. Januar bedeutet.«
    Mit der Taxe fuhren sie wieder nach Hause. Als sie ausstiegen, hörten sie zum erstenmal den Gruß, der sie von da an nicht mehr losließ.
    »Heil Hitler!« sagte der Fahrer zum Abschied.
    Es dauerte nicht lange und es trat das ein, was Hauptmann Schütze prophezeit hatte … sie sahen, was der 30. Januar 1933 zu bedeuten hatte.
    Der Onkel General, Freiherr Eberhard v. Perritz, reichte seinen Abschied aus der Reichswehr ein. Er tat es, bevor das Ministerium ihm eine Pensionierung nahelegte.
    Heinrich Emanuel war schockiert und entsetzt. »Warum wohl?« fragte er immer wieder Amelia. »Was wird dies für Folgen haben? So etwas ist doch denkbar unangenehm … für mich.«
    Er wurde bei seinem Vorgesetzten vorstellig, aber auch der Oberst wußte noch nichts Genaueres. Nur soviel hatte er in der Bendlerstraße, dem Gehirnzentrum der Reichswehr, gehört, daß Generalleutnant v. Perritz bei der Machtübernahme geäußert hatte: »Jetzt haben wir den besten Dilettanten, den es gibt, an der Spitze. Prost Mahlzeit!«
    Heinrich Emanuel war empört. Er bekam einen roten Kopf, als habe man behauptet, er selbst habe den Ausspruch getan.
    »Schon immer war er ein

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