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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es einer Korrektur Ihres bisherigen Eindruckes. Sind Sie Parteimitglied?«
    »Nein, Herr General. Es war Offizieren verboten –«
    »War. Die Zeiten haben sich geändert, Herr Hauptmann. Es ist möglich, daß der Herr Reichskanzler Sie sehen will. Es ist dann völlig undenkbar, daß Sie ohne Parteiabzeichen zu ihm kommen.« General Müller schob Hauptmann Schütze ein Formular hin. »Sie erklären hiermit Ihren Beitritt zur NSDAP. Der Antrag ist ausgefüllt und wird sofort von der Gauleitung bearbeitet.«
    »Danke, Herr General.« Heinrich Emanuel beugte sich über den Antrag. Er sah das Hoheitsabzeichen, den Eichenkranz mit dem Hakenkreuz darin, seinen Namen, dick geschrieben.
    Vor drei Jahren wollten sie mich lynchen, dachte er. Damals patrouillierte die SA vor meinem Fenster und johlte, wenn ich mich am Fenster zeigte. Nur unter bewaffnetem Schutz konnte ich das Haus verlassen. Und heute – Ich beantrage hiermit meinen Eintritt in …
    Schütze sah auf und begegnete dem lauernden Blick Müllers. »Stimmt etwas nicht?« fragte der General. »Schreibt man Emanuel vielleicht mit zwei m?«
    »Es ist alles richtig«, sagte Schütze mit schwerer Zunge. »Alles, Herr General … richtig …«
    Er unterschrieb. Die Feder spritzte die Tinte über das Papier, so schwer wurde ihm die Hand dabei. Welch eine Blamage, dachte er. Ich werde gezwungen, in die NSDAP einzutreten. Gezwungen. Ich wäre freiwillig gekommen, ich bewundere diesen Hitler … aber dies hier, unter dem hämischen Blick General Müllers … das ist gegen alle Offiziersehre.
    Er warf den Federhalter zurück auf die Schreibschale und schob Müller den Antrag zu.
    »Bitte, Herr General.«
    »Danke, Herr Hauptmann.« Müller legte den Antrag, nachdem er die Tinte trocken gewedelt hatte, zu den Personalakten Schützes. »Sie haben damit Ihre Uniform gerettet. Wissen Sie das? Sie standen auf der Liste der Reorganisation der Reichswehr. Sie wird bald den Namen Wehrmacht bekommen. Denn wir werden eine Macht in Deutschland und in der Welt sein.«
    »Auf der Liste –«, stotterte Heinrich Emanuel.
    »Glauben Sie, wir dulden noch Männer in unseren Reihen, die so antinational eingestellt sind wie Sie?«
    »Ich – und antinational. Gerade ich?«
    »Jammern Sie nicht, Sie Waschlappen!« Das war wieder der neue Umgangston. Schütze stand wieder stramm. »Sie werden in der Heeresverwaltung beschäftigt. Auf einem stillen Posten, wo Sie niemandem schaden können und auch nicht auffallen. Oder dachten Sie, wegen Ihrer taktischen Schrift kämen Sie in den Generalstab …?«
    »Ich hatte die Hoffnung –«, sagte Schütze heiser. Sein Hals war trocken. Seine Stimmbänder waren spröde.
    »Das lassen Sie bleiben, Herr Hauptmann.« General Müller erhob sich. »Es muß auch Leute geben, die für die Zahl der Socken verantwortlich sind.«
    Schützes Atem setzte aus. Es war ihm plötzlich, als brenne sich die Uniform in seine Haut, als begännen die silbernen Schulterstücke mit den beiden Sternen aufzuflammen und seine Schulter zu zerfressen.
    »Was verlangt man von mir?« fragte er tonlos. »Ich bitte Herrn General um eine präzise Auskunft …«
    General Müller sah Schütze verwundert, fast mit einem Anflug von Mißtrauen an. »Was wir verlangen?« bellte er. »In erster Linie, daß Sie ein guter Deutscher sind. Daß Sie die Zeichen der Zeit erkennen. Daß Sie – meine Fresse, muß man Ihnen denn alles vorkauen wie einer zahnlosen Oma?«
    Er nickte kurz, Schütze machte eine kasernenmäßige Kehrtwendung und verließ das Zimmer. Wie der jüngste Rekrut, dachte er bitter. Ich, der kaiserliche Fähnrich, der Weltkriegsoffizier, der Reichswehrhauptmann. Ob das im Sinne des neuen Reichskanzlers ist?
    Zwei Tage war er still und nachdenklich. Dann mietete er wieder eine Taxe und fuhr mit seiner ganzen Familie nach Berlin hinein. Er hatte seine Galauniform an.
    Er ließ sich zur Gauleitung fahren, versammelte seine verblüffte Familie dann vor dem Eingang des großen Hauses um sich und sagte knapp, keinen Widerspruch erwartend:
    »Ihr werdet jetzt alle in die NSDAP aufgenommen. Es muß sein.«
    »Auf einmal?« fragte Christian-Siegbert.
    »Ich auch?« fragte Amelia.
    »Ruhe!« brüllte Heinrich Emanuel.
    »Du kommst in die NS-Frauenschaft. Man verlangt von uns, daß wir den Aufbruch der Nation aktiv unterstützen. Wir wollen es freudigen Herzens tun –«
    »Glaubst du, ich werde mit den anderen marschieren?« Amelia legte den Arm um die kleine Uta-Sieglinde. Sie war jetzt zehn

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