Mansfield Park
seine Werbung seit langem ermutigte
– und mußte sie nicht in der Uneigennützigkeit ihrer Zuneigung ebenso vollkommen sein wie in jeder anderen Beziehung? Doch zu anderen Zeiten mischten sich Zweifel und Unruhe in seine Hoffnungen. Wenn er an ihre offen eingestandene Abneigung gegen ein stilles, zurückgezogenes Dasein, an ihre ausgesprochene Vorliebe für das Londoner Gesellschaftsleben dachte – was konnte er da anderes erwarten als eine entschiedene Abweisung? Oder bestenfalls, was noch schmerzlicher wäre, eine bedingte Zusage, die von ihm das Opfer seines Berufes heischte – und das konnte er mit seinem Gewissen niemals vereinbaren.
Alles hing von einer einzigen Frage ab: War ihre Liebe groß genug, um auf all das zu verzichten, was ihr bisher als das Wesentliche erschienen war – so groß, um es nicht mehr als wesentlich erscheinen zu lassen? Und diese Frage, die er sich selber unaufhörlich vorlegte, beantwortete er zwar meistens mit «Ja», manchmal aber auch mit «Nein».
Miss Crawford sollte jetzt in Kürze Mansfield verlassen, und aus diesem Anlaß hatten «Ja» und «Nein» in der letzten Zeit häufig miteinander abgewechselt. Er hatte ihre Augen aufleuchten gesehen, als sie ihm von dem Brief ihrer Londoner Freundin erzählte, die sie zu einem langen Besuch einlud, als sie Henrys Gefälligkeit pries, der eigens seinen Aufenthalt bis zum Januar verlängerte, um sie dann nach London zu begleiten. Er hatte sie von den Vergnügungen, die sie sich von dieser Reise erhoffte, mit einer Lebhaftigkeit sprechen gehört, die in jedem Ton ein «Nein» enthielt. Doch das war am allerersten Tage gewesen, in dem ersten Freudenausbruch über diesen Plan, der ihr ein Wiedersehen mit all ihren alten Freunden verhieß. Seither hatte er sie anders sprechen gehört – mit anderen, weniger eindeutigen Gefühlen. Sie hatte in seiner Gegenwart zu Mrs. Grant gesagt, sie trenne sich eigentlich ungern von Mansfield – sie glaube beinahe, weder die Menschen noch die Zerstreuungen, die sie in London erwarteten, könnten das aufwiegen, was sie hier zurückließe; jetzt sei es zwar abgemacht, und sie wüßte auch, daß sie sich gut unterhalten werde, wenn sie erst dort sei, aber sie freue sich jetzt schon auf die Rückkehr nach Mansfield … Bedeutete das alles nicht «Ja»?
Mit so schwerwiegenden Problemen, die er zu bedenken und zurechtzulegen und wieder anders zurechtzulegen hatte, konnte Edmund den Abend, dem die übrige Familie mit so großen Erwartungen entgegensah, für seine Person nicht allzu aufregend finden. Abgesehen von dem Vergnügen, das er William und Fanny bereiten sollte, bedeutete er ihm nicht mehr als jede andere geplante Zusammenkunft der beiden Familien. Jedes Zusammentreffen bot ja die Hoffnung, eine weitere Bestätigung von Miss Crawfords Zuneigung zu erhalten, wenn auch der Wirbel eines Ballsaals nicht gerade der günstigste Ort für den Ausdruck ernster Gefühle war. Sie rechtzeitig für die beiden ersten Tänze engagieren – das war alles, was er zur Förderung seiner persönlichen Zwecke unternehmen konnte, die einzige Vorbereitung, die er für den Ball traf, obwohl alles um ihn herum sich von früh bis abends um diesen einen Punkt drehte.
Donnerstag sollte der Ball stattfinden, und Mittwoch morgens beschloß Fanny, die immer noch nicht wußte, was sie tragen sollte, sich Rat bei einer kompetenten Stelle zu holen, nämlich bei Mrs. Grant und ihrer Schwester, deren allgemein gerühmter Geschmack sicherlich das Richtige für sie treffen würde. Da Edmund und William nach Northampton gefahren waren und Mr. Crawford, wie sie annehmen durfte, sich ebenfalls auswärts aufhielt, machte sie sich auf den Weg ins Pfarrhaus, ohne zu befürchten, daß es an Gelegenheit zu einer ganz intimen Aussprache fehlen würde. Daß diese Aussprache intim und ungestört sei, war für Fanny die erste Bedingung, denn sie schämte sich ein wenig ihrer Sorgen.
Ein paar Schritte vor dem Pfarrhaus begegnete sie Miss Crawford, die gerade auf dem Wege zu ihr war. Da es ihr schien, daß ihre Freundin – obwohl sie höflich darauf bestand, ins Pfarrhaus zurückzukehren – doch ungern auf ihren Spaziergang verzichtete, brachte Fanny sogleich ihr Anliegen vor und erklärte, wenn Miss Crawford so freundlich sein wolle, ihr zu raten, könnten sie alles ebensogut draußen wie drinnen besprechen. Miss Crawford schien über Fannys Anliegen erfreut. Nach kurzem Nachdenken drängte sie Fanny, viel herzlicher als zuvor, doch
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