Manuskript des Teufels
Hemd und roter ärmelloser Weste bekleideter junger Mann. „Haben die Herren einen Wunsch? Was darf ich bringen? Mineralwasser und Gläser stehen bereits auf dem Tisch.“
Die wie gebannt an der großen Fensterfront des Raumes stehenden Männer lösten sich schweren Herzens vom faszinierenden Blick über die unendlichen Weiten des silberblau schimmernden Mittelmeeres.
„Kaffee und Gebäck bitte“, sagte ‚T‘.
„So schnell sind wir zufrieden“, ergänzte Schlomann, der sich setzte und sich bei seinen Verhandlungspartnern bedankte, dass sie den kurzfristig einberaumten Termin möglich gemacht hatten.
„Ich glaube, bevor wir uns über das detaillierte Vorgehen in dieser Angelegenheit unterhalten, wäre es unserer Sache dienlich, wenn ich unserem Gast aus Deutschland noch einige wichtige Basisinformationen gebe. Herr Zwilling wäre Ihnen das recht?“
„Schieß los, Jehuda“, ergriff ‚T‘ das Wort, „ich halte das für unbedingt erforderlich, und keiner beherrscht die Zusammenhänge so gut wie du.“
„Herr Zwilling“, begann Professor Schlomann, „Israel ist ein jüdisch-demokratischer Staat. Damit ist das Medinat Yisra’el, also unser Land, keine Theokratie, kein Gottesstaat wie zum Beispiel unser derzeit ärgster Widersacher, der Iran. Um die 80% unserer Bevölkerung sind religiöse Juden. Aber bei uns besteht keine strikte Trennung zwischen Staat und Religion, wie das in den meisten westlichen Ländern, auch in Amerika, der Fall ist. Im Gegenteil, nirgendwo sind Staat und Religion so miteinander verflochten wie hier bei uns. So sind zahlreiche religiöse Institutionen wie zum Beispiel die Rabinate, die religiösen Räte oder das religiöse Schulsystem staatliche Einrichtungen. Auch Synagogen, Moscheen, Kirchen, Friedhöfe und zahlreiche gemeinnützige Vereine werden vom Staat unterstützt und finanziert oder sind sogar staatliche Organe. Umgekehrt verwaltet die jüdische Kirche wesentliche Bereiche des öffentlichen Lebens wie Eheschließung, Scheidung oder Bestattung. Sie übernimmt wesentliche Aufgaben in der Sozialstruktur des Landes. Mit anderen Worten, die jüdische Religion und unsere Demokratie führen bei uns eine ideale Ehe.“ Zwilling nickte zustimmend und trank einen Schluck Mineralwasser.
„Der israelische Staat ist die Wirbelsäule des Judentums und das Judentum ist das Rückgrat unseres Staates“, fuhr Schlomann fort. „Das eine ohne das andere geht nicht. Hinzu kommt, dass sich unser Land, solange es existiert, ständig interner Probleme und äußerer Anfeindungen und Aggressionen erwehren muss. Ich denke an die inneren Spannungen zwischen Ultra-Orthodoxen und Gemäßigten, an das für Israel typische Aufeinanderprallen von westlich geprägten und orientalischen Lebensformen und Kulturen, an die zahlreichen Disharmonien, die entstehen, weil neben dem Judentum in unserem Land auch islamische, christliche, griechisch-orthodoxe, ar-menische, syrische und drusische Religionen angesiedelt sind. Und denken sie an die immer noch nicht ausgestandenen Zwistigkeiten, die den ersten Arabisch-Israelischen Krieg Ende der 40er Jahre ausgelöst haben, an den Sechstage-Krieg 1967 oder an den Yom-Kippur-Krieg 1973. Oder die Intifada, die Palästinenser-Aufstände, ein Geschwür, das jeden Augenblick neu aufbrechen kann. Ganz zu schweigen vom Zionismus, dem weltweiten Antisemitismus, von der Bedrohung durch die Hisbollah, durch die Staatschef des Irans, die Israel als ein auszurottendes Krebsgeschwür bezeichnet haben. Ferner die ständig akut entzündliche Streitfrage um Jerusalem: Wem gehört das Heilige Land? Und so weiter und so weiter.“
„Komm bitte zur Sache!“, warf ‚T‘ ein, „wir haben ja nicht ewig Zeit.“
„Entschuldigt, aber ich hielt es für angebracht, unserem jungen Freund aus Deutschland die Begründung dafür zu liefern, dass unser pausenlos attackiertes Land keine weiteren gefährlichen Herausforderungen zulassen darf. Und nun, Herr Zwilling, zum eigentlichen Grund unseres Zusammentreffens. In unserer Religion gilt Moses als der Urvater aller Propheten. Niemals war ein Mensch so nahe bei Gott wie Moses. Das Kernstück der jüdischen Bibel, des Alten Testamentes im Judentum, ist die „Thora“, also die 5 Bücher Mose. Nicht nur nach jüdischem, sondern auch nach christlichem Glauben, hat Moses in seinen Büchern das ihm direkt übermittelte Wort Gottes niedergeschrieben. Die Thora, dieses Wort Gottes, ist die tragende Säule der jüdischen Religion. Und nun
Weitere Kostenlose Bücher