Mappa Mundi
er mit ausgebreiteten Armen und schielendem Blick zwischen den Anbauschränken und dem Herd auf dem Boden lag. Sie leckte ihrem Besitzer eine Augenbraue, kämmte sie mit langen, weißen Zähnen und zwickte ihn dabei halbherzig. Jude verzerrte angeekelt das Gesicht. Der Hinterkopf des Mannes fehlte, und es sah aus, als hätte die Katze sich bereits an den herumliegenden Stücken gütlich getan.
Jude wartete einige Sekunden, bis sein Brechreiz nachließ, dann zog er ein Paar PVC-Handschuhe aus der Tasche und prüfte, ob die Leiche noch warm war. Sie fühlte sich oberflächlich kalt an, also musste Tetsuo gleich zu Beginn seiner Mittagspause nach Hause gekommen und auf der Stelle ermordet worden sein. Blut und Hirnmasse klebten hinter ihm an der Tür und waren über den Fußboden versprüht. Die kleineren Spritzer, mit denen die Katze sich nicht abgegeben hatte, waren an der Luft getrocknet, die aus der Klimaanlage strömte.
Rasch durchsuchte er Tetsuos Taschen, fand aber nur sein Pad und eine Spielzeugmaus mit einem elastischen Schwanz, sonst nichts. War er hierher gekommen, um abzuholen, was immer er Jude zeigen wollte?
Wenn er die Katze ansah, wurde ihm übel. Jude trat näher und wollte sie beim Genick packen, doch mit einem listigen Blick schlängelte sie sich davon und watschelte rasch über den Leichnam hinweg wie eine dicke Frau in Stöckelschuhen, die hastig die Straße überqueren will. Die Katze kam ihm zuvor, als er sie aus der Küche jagen wollte, doch während er die Schränke und Schubladen durchsuchte, schlich sie sich immer wieder neben ihn und blickte ihn aus verengten Pupillen berechnend an.
Er fand das Katzenfutter und stellte ihr ein Schälchen in den Korridor. Die Katze ignorierte es und folgte ihm weiterhin von Zimmer zu Zimmer, nie dichter als eine Beinlänge Abstand, nie weiter entfernt. Gelegentlich gab sie einen missbilligenden Laut von sich, und einmal hörte er, wie sie hinter ihm die Krallen an den Seilen ihres Katzenbaums wetzte, während er sich durchs Wohnzimmer bewegte. Als er zu dem Klettergerüst hochsah, sprang sie mit beeindruckender Mühelosigkeit auf einen Sims, das Jude bis zur Hüfte gereicht hätte. Sie rieb die Wange an einer hölzernen Säule und folgte seinem Blick, als er zu den höheren Flächen aufschaute. Sie waren alle sauber.
Jude entnahm dem Fehlen von Katzenhaaren, dass das Tier schon seit einiger Zeit nicht mehr dort oben gewesen war. Er bewunderte Tetsuo für seine Hingabe und seinen Erfindungsreichtum beim Bau der Konstruktion, als er ein fellbedecktes Spielzeug entdeckte, das auf dem höchsten Teil lag, wo ein langes Rohr auf eine kleine, mit einem Plüschteppich überzogene Plattform führte. Er griff nach oben und zog einen dicken Teddybär hinunter, dem beide Augen fehlten und dessen Nähte zum großen Teil aufgeplatzt waren. Kapokfüllung hing hier und da heraus. Als die Katze den Teddy erblickte, schlug sie mit der Pfote halbherzig nach Judes Hosenbein. Ihre Krallen rissen den Stoff ein. Er fluchte, stieß sie zur Seite und stocherte mit dem Finger in der Brust des Teddys. Irgendetwas war da drin.
Er fand eine kleine Pappschachtel mit CDC-Markierungen, die eilig mit einem schwarzen Markierstift übermalt worden waren.
Die Katze hob ein unheilverkündendes, immer lauter anschwellendes Jaulen an, und Jude warf mit dem Teddy nach ihrem Kopf. »Du hältst die Klappe, Herrchen-Fresser!«
In der Schachtel war ein kleiner, ungefähr zwei Zentimeter dicker Schaumstoffbehälter, der eine verschlossene Ampulle aus verbleitem Sicherheitsglas von der Art enthielt, wie man sie benutzte, um Micromedica zu transportieren. Jude legte die leere Schachtel wieder auf den höchsten Sims des Klettergerüsts und steckte sich den Schaumstoffbehälter in die Tasche. Bevor er ging, versperrte er die Küche, sodass die Katze nicht wieder hineinkonnte, und benachrichtigte anonym die Polizei. Die Katze folgte ihm zur Tür und starrte ihm nach.
Wer immer Tetsuo getötet hatte, war vielleicht noch nicht weit. Der oder die Täter hatten die Wohnung nicht durchsucht, sonst hätte Jude die Ampulle nie gefunden. Vielleicht stammte sie sogar von ihnen. Er konnte es nicht wissen. Es spielte auch keine Rolle. Er musste nach Washington zurück und seinen Fund untersuchen lassen. Dem armen Tetsuo war nicht mehr zu helfen, und die ballistischen Beweise hatte die Katze wahrscheinlich zum großen Teil gefressen. Ihn schauderte, wenn er daran dachte, wie sie dort gesessen und dem Mann das
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