Mappa Mundi
Gesicht geleckt hatte.
Draußen hatte die drückende Sonne zu sinken begonnen. Judes rief sich ein Taxi und machte, dass er wegkam.
Nostromo hatte noch immer nichts über Natalie oder Dan herausgefunden. Jude rief zu Hause an. White Horse erkannte seine Privatnummer.
»Alles bestens«, sagte sie. »Ich hab mit Mary gesprochen. Sie macht irgendeinen Ausflug und wollte dir Bescheid geben. Sie sagte, übermorgen wäre sie wieder da. Sie bleibt zu Hause und bearbeitet den Papierkram.«
Wenigstens etwas verlief wie geplant.
Am späten Abend traf er im Büro noch Nell Rush an, eine Biologin, die mit BSL-4-Organismen umgehen konnte. Sie wollte gerade nach Hause gehen.
»Sie haben keine Idee, was das sein könnte?« Mit Argwohn betrachtete Nell die harmlos aussehende Ampulle.
»Ich glaube, sie stammt aus den CDC.«
»Ohne Genehmigung?« Sie schien nicht willens zu sein, die Schaumstoffpackung mit größerem Druck als unbedingt nötig zu berühren. »Sieht mir nach Nanos aus. Microware. Vielleicht auch nicht. Ihr Informant hat da gearbeitet?«
»Anti-Terror-Spezialist.«
»Scheiße«, sagte sie und schloss die Verpackung wieder. »Okay.«
»Nell.« Er fasste sie am Ärmel.
»Ich weiß schon, ich weiß. Kein Wort, bevor ich mit Ihnen gesprochen habe. Geben Sie mir heute und morgen Nacht Zeit. Bis dahin habe ich es geschafft, aber ich muss noch einen ganzen Schwung Arbeit für Meyer und seinen Partner erledigen. Getto-Eugenik. Nicht aufschiebbar.«
»Danke.«
»Nichts zu danken. Schicken Sie mir einen Scheck.«
Jude stand vor dem Gebäude in der Washingtoner Nacht und blickte in den Himmel. Sterne waren keine zu sehen, nur helles Streulicht, das von den Wolken zurückgeworfen wurde. Irgendwo dort draußen ging eine ganze Menge vor sich, und in diesem Moment war Jude froh, dass er nicht noch mehr darüber wusste. Er richtete den Blick auf die Straße und ging in Richtung Metro. Trotzdem konnte er die Erinnerung an die leeren Augen der großen, dicken Katze einfach nicht abschütteln.
13
White Horse wusste über Mary Bescheid, auch wenn sie einander noch nie begegnet waren. Mary schien erfreut, sie kennen zu lernen, wirkte aber verärgert, als sie hörte, dass Jude erst am Abend zurückkam. White Horse bot ihr an, auf ihn zu warten, denn lange könne es nicht mehr dauern – er habe gesagt, sie solle gegen sieben mit ihm rechnen. Sie setzten sich ins Wohnzimmer und ließen den Fernseher leise im Hintergrund laufen. White Horse trank Kaffee. Mary entschied sich für Tee, den White Horse nicht finden konnte, doch Mary kannte sich in der Küche aus und spürte ihn rasch auf.
»Hm«, sagte sie, nachdem sie die Schachtel geöffnet hatte. »Schon wieder der letzte Beutel. Er vergisst beim Einkaufen immer, welchen mitzubringen.« Zuerst wollte sie den leeren Karton draußen stehen lassen, doch dann stellte sie ihn in den Schrank zurück. Mit ihren manikürten Händen rückte sie ihn zurecht, bis er wieder genau dort stand, wo sie ihn vorgefunden hatte. White Horse blickte auf ihre verbrannten, schwieligen Hände, versuchte aber nicht, sie zu verstecken. Sollte Mary doch denken, was sie wollte.
Zuerst verlief ihr Gespräch sehr zäh, doch kaum hatten sie zu dem einzigen Thema gefunden, das sie beide interessierte -Jude –, als White Horse klar wurde, dass Mary ihm näher stand als sie. Sie bemühte sich, die besitzergreifende Eifersucht zu übersehen, die in ihr anwuchs, je länger sie miteinander redeten; sie trug die Schuld, dass so viele Jahre in Schweigen verstrichen waren. Wenigstens erhielt sie durch die entsetzlichen Geschehnisse nun eine Chance, die Beziehung zu ihrem Bruder wieder in Ordnung zu bringen.
Mary saß entspannt auf der Couch und erzählte von ihrer langfristigen Jagd auf diesen einen Kerl, wobei sie Einzelheiten wegließ, über die sie aus Gründen der Geheimhaltung nicht sprechen dürfe. An der Schnoddrigkeit, mit der Mary erzählte, erkannte White Horse, wie viel Freude es ihr bereitete, Zugang zu Macht und Informationen zu besitzen, die nur Eingeweihten zugänglich waren.
»Das erste Mal stießen wir auf ihn, als wir versuchten, russische Mafiosi zu überführen, die ihre Lieblings-Basketballspieler mit Steroid-Stimulanzien gespickt hatten – Sie wissen vielleicht, dass die Russen-Mafia hierzulande groß im Sportgeschäft mitmischt. Die Stimulanzien waren clever modifiziert; sie bringen den Organismus dazu, dass er in großem Maße bestimmte körpereigene Substanzen produziert.
Weitere Kostenlose Bücher