Márai, Sándor
Glassturz allerlei Käsesorten sowie Äpfel und für die Winterzeit Weintrauben zum Trocknen aufgehängt. So sah der Vorratsraum zu Hause in Kaschau aus. In allem waren ein pantagruelartiger* Anspruch und Überfluss; auch eine gewisse mittelalterliche Vorsorge. So müsste man leben. Doch die Pester Speisekammer mit ihren wenigen Einkochgläsern, die kleinen Flaschen Bitterwasser auf den Brettern, sodann der Kühlschrank, in dem kaum ein fettes Suppenhuhn Platz fände, das ist nicht mehr das Richtige. Aber auch das dazugehörige Leben ist vermutlich nicht mehr das Richtige.
BESTÄNDE
Diese Gegenstände, Kleider, Bücher, die ich überhaupt nicht benötige auf dieser Welt, diese permanente Bereitschaft, die man ewig pflegen und konservieren muss, der immense Plunder, der dir langsam über den Kopf wächst, dich zudeckt … wohl wissend, dass eine Zahnbürste, zwei englische Anzüge, sechs Garnituren Wäsche, Hamlet , Faust zweiter Teil , die Bibel sowie Krieg und Frieden völlig ausreichend sind fürs Leben.
GIDE
Gide nehme ich es ab, dass er eine persönliche Angelegenheit mit dem Teufel auszufechten hat; er streitet sich und rauft mit ihm, und wenn er sich beugt und im Zweikampf unterliegt, begehrt er doch weiter auf und widersetzt sich ihm. Den moralischen Wert eines Schriftstellers kann man nur an der Leidenschaft messen, mit der er gegen die Sünde angeht; selbst dann, wenn er Sünde und Absturz begierig sucht, wie der Jäger die Beute. Zu siegen und ein Urteil zu verkünden, ist nicht die Sache des Schriftstellers; das kann er getrost den Tugendwächtern überlassen. Aufgabe des Dichters ist, auch ohne eine Hoffnung auf Sieg bis zum Ende anzukämpfen gegen alles, was in seiner Seele schwach und verderblich ist. Dieses Ringen ist der wahre Sinn seines Daseins.
DOBOGÓKO*
Noch ein Schritt, und jenseits des Zauns wird die Landschaft auf einmal zur Bühne, gewichtig und abgründig. Als wäre der Wald in die Tiefe gestürzt.
Über der tragischen Landschaft steht mit verschränkten Armen ein Mensch und schweigt. Das Gelände hat ihn in die Höhe, über seinen Alltag und sein Schicksal erhoben. Düster steht er da, als verfasse er in Gedanken die schrillen Sätze eines Manifests.
In der Tiefe die Donau, teilnahmslos; als wüsste sie gar nicht, dass sich mit ihrem Namen politische Pläne verbinden.
Ein Kalb läuft zum Zaun, blickt in die Tiefe und brüllt los. Als hätte es plötzlich sein Schicksal in der Welt begriffen.
Der Wald wird vom abendlichen Herbstnebel umhüllt. Durch den Nebel beginnt die Glut des rostroten Laubes zu funkeln, als hätten unten in der Tiefe die Rehe Feuer angefacht.
MANNESALTER
Dies sind die Jahre des Mannesalters. Gelegentlich registriere ich die Zeit, in der ich lebe, nicke, fasse sie ins Auge.
Wie ist dieses Mannesalter? Überrascht stelle ich fest, dass es alles in allem doch erträglich ist. Das Leben wird von einem wunderlichen Realitätssinn durchleuchtet. Vom Glas weiß ich, dass es aus Glas besteht und dass man Fenster daraus schneiden kann. Vom Menschen weiß ich, er besteht aus Wasser, Kalk, Phosphor und einer unsterblichen Seele, und man kann ihn gar nicht genug verachten und hoch genug schätzen. Vom Leben weiß ich, dass es irgendwann endet. Aber es beschert auch Augenblicke, die der Ewigkeit gleichkommen. Die Natur meiner Sehnsüchte und meine Neigungen kenne ich. Was wünscht man sich mehr? Neue Liebschaften? Ein neues Auto? Afrikareise? Alles gehabt. Aber ich kann mich noch über eine Weintraube, über ein neues Gedicht, einen Sommertag und die Klarheit der Sinne freuen. Die größte Überraschung des Mannesalters besteht darin, dass die Wirklichkeit viel interessanter ist, als wir sie uns im Nebel jugendlicher Fieberträume vorgestellt haben. Dieser Realitätssinn wiegt alles auf. Sein Schimmer fällt auf einen Menschen, auf einen Gegenstand, und alles wird interessant. Alles ist konkret und passt zusammen. Der Mythos verfliegt wie der Nebel. Stattdessen bleibt erträgliche authentische Wirklichkeit.
Es ist die Zeit, da unsere Freunde und Feinde auszusterben beginnen. Ich selbst mache mich allmählich auch auf den Weg. Es hat noch keine Eile; ich sitze in der Sonne und rauche ein paar Zigaretten.
Landschaften kommen mir in den Sinn. Eine Wiese. Die Stimme eines Menschen. Das ist die Zeit, in der uns täglich etwas aus der Vergangenheit einfällt.
EIN KIND
Im Zimmer des Hotels, in dem ich mich mit einer zermürbenden, erniedrigenden und namenlosen Krankheit,
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