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Marathon

Marathon

Titel: Marathon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Frangenberg
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Hand, die es
gerade von ihrem Kollegen bekommen hatte. »Jedem Polizisten,
der hier reinkommt, zeigen Sie dieses Bild. Und dann schicken Sie
ihn los, um den Mann zu suchen. Haben Sie das
verstanden?«
    »Aber
…«, versuchte der Sanitäter etwas zu
entgegnen.
    »Kein aber. Sie
tun das, sonst kriege ich Sie wegen unterlassener Hilfeleistung
dran.«
    Sie packte die beiden
Polizisten am Arm und zog sie aus dem Zelt. Vergeblich suchte sie
in ihren Taschen nach einem Gummiband, um sich die Haare wieder
zusammenbinden zu können.
    »Wenn Sie ihn
finden, nehmen Sie ihn fest. Melden Sie's der Leitstelle. Die wird
mich dann informieren. Wer ihn hat, bringt ihn in dieses stinkende
Zelt.«
    Genau hier war es
passiert. Vor dieser Mauer hatte Mona herumgezetert, dachte
Gassmann, als er in die Aachener Straße einbog. Links der
Laufstrecke zog sich die Mauer des Melaten-Friedhofs entlang. Sie
schien endlos, so groß war dieses alte Gräberfeld, das
seit Jahrhunderten die letzte Ruhestätte der Kölner war.
Kein anderer Friedhof hatte diese Bedeutung erlangt, und noch heute
versuchte jeder Bürger, der etwas auf sich hielt, sich hier
ein Grab zu sichern, um sich mit einem großen Stein für
die Nachwelt zu verewigen. Er fand das lächerlich.
    Es gab sogar
Führungen über Melaten. Kulturgeschichte zwischen
Grablichtern und Kompostbehältern. Für ihn war der
Friedhof nie die weihevolle Stätte der Trauer und des
Gedenkens geworden. Damals hatten sie geglaubt, hier den
Leibhaftigen treffen zu können. Auch das fand er längst
nur noch lächerlich. Er hatte sich oft gefragt, was sie damals
dazu gebracht hatte, sich immer weiter in diesen Wahn
hineinzusteigern. Er hatte keine Antwort gefunden.
    Wenn er sich
erinnerte, tat er das in der Position eines Zuschauers, so fern, so
unerklärbar erschien ihm alles, dass er sich selbst nicht als
Teilnehmer der fürchterlichen Nacht sehen konnte. Und doch war
ihm immer völlig klar, dass er Mitschuld am Tod von Lisa
Randberg trug. Er hatte nicht verdrängen können, wie es
Vosskamp, Leuschen und Höllerbach getan hatten. Immer wieder
hatte er von dem Mädchen geträumt, gesehen, wie sie ihre
Brust entblößte und dabei lachte und summte.
    Sie tanzte vor einer
Grabplatte, vor ihr loderte ein kleines Feuer, in das sie reihum
die Spitze eines Säbels hielten. Randy war in seiner
Erinnerung eine wunderschöne Frau. Ihr pechschwarzes Haar,
ihre blauen Augen, ihre makellose Figur machten in seiner
Erinnerung aus ihr einen Engel. Und doch war sie alles andere als
ein Engel gewesen. Hatte sie sie angestachelt? Es wäre die
einzig denkbare Ausrede gewesen. Nein, sie hatte sie nicht reizen
wollen. Alles war verabredet gewesen. Sie hatte sich bereit
erklärt, ihr Blut zu opfern. Von Sex war keine Rede
gewesen.
    Leuschen hatte
Verbandszeug mitgebracht, mit dem er die Blutung stoppen wollte,
wenn sie nicht von selbst aufhören sollte. Sie hatten
eingeplant, dass Randy ohnmächtig werden würde. Schnitt
man in eine Arterie, würde das Blut schnell und in
größeren Mengen zunächst herausspritzen, dann aber
mit nachlassendem Druck gerinnen und so die Wunde von selbst
verschließen. Ein Selbstmörder hätte sich in eine
Badewanne gelegt, um die Gerinnung zu verhindern.
    Sein Puls blieb ruhig,
während er an dem großen Eisentor vorbeilief, das abends
geschlossen wird, um ungebetenen Besuch vom Friedhof fern zu
halten. Sie hatten einen anderen Eingang geknackt, durch den sie
nach dem Ritual nach Hause gehen wollten. Auch das war exakt
geplant worden. Niemals hätten sie eine ohnmächtige Randy
über die Mauer wuchten können.
    Doch dann hatten sie
begonnen Tabletten zu nehmen und zu trinken. Joints gingen herum,
mit denen sie versuchten, die letzten Hemmungen zu überwinden.
Sie hatten geglaubt, den Satan in ihre Mitte holen zu können.
»Zu meiner Verehrung nehmt Wein und seltene Drogen, wovon ich
meinem Propheten erzählen werde, und berauscht euch daran! Sie
sollen euch überhaupt kein Leid
zufügen.«
    Seltene Drogen kannten
sie nicht, und so mussten es gewöhnliches Kraut und leicht
erhältliche Errungenschaften der modernen Medizin tun. Und
Randy hatte dazu getanzt. Schließlich mit dem Säbel.
Dann mit Höllerbach, der anfing, sie zu begrapschen. Randy
ließ sich vollständig ausziehen. Alle waren in
völliger Ekstase.
    Der gleichförmige
Trab über die Straße, während die Friedhofsmauer an
ihm vorbeizog, half Ingo Gassmann, sich zu erinnern.
Höllerbach musste Randy von hinten genommen haben,

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