Marc Levy
haben.
Er bestellte etwas zu essen, setzte sich vor den Fernseher und wurde lange vor zweiundzwanzig Uhr vom Schlaf überwältigt.
Schon in den ersten Stunden des Tages verjagte eine strahlende Sonne die Wolken, und ein feuchter Morgen brach an. Hinter der Böschung neben dem Tor versteckt, hatte George Pilguez mit einem Fernglas, das er zum
zwanzigjährigen Dienstjubiläum bekommen hatte, Stellung bezogen. Gegen elf Uhr sah er Arthur durch den Park in seine Richtung kommen. Beim Rosengarten bog sein Verdächtiger rechts ab und öffnete das Garagentor.
Als er eintrat, fand Arthur sich einer dick mit Staub überzogenen Plane gegenüber. Er entfernte sie, und zum Vorschein kam ein alter Ford Kombi aus dem Jahr 1961, der sich unter seiner schäbigen Umhüllung als wahres Sammlerstück herausstellte. Arthur lächelte beim Gedanken an Antoines peinliche Sorgfalt. Er ging um das Auto herum und 187
öffnete die linke hintere Wagentür. Der Geruch von altem Leder stieg ihm in die Nase. Er setzte sich auf die Rückbank, zog die Tür zu, schloss dann seine Augen und erinnerte sich an einen Winterabend vor der Fassade von Macy's am Union Square. Er sah den Mann im Regenmantel, den er mit einem Schuss aus seinem intergalaktischen Gewehr beinahe niedergestreckt hätte, den aber die rührende Einfalt seiner Mutter im letzten Moment gerettet hatte: Sie hatte sich in seine Schusslinie gestellt. Der als Zigarrenanzünder getarnte atomare Desintegrator war sicher noch geladen.
Er meinte das brummende Geräusch des Motors zu hören, er öffnete das Fenster, streckte den Kopf hinaus und fühlte, wie der Wind seiner Erinnerung ihm die Haare aus dem Gesicht blies. Er hielt seine Hand aus dem Wagen und spielte mit ihr, sie war ein Flugzeug, er neigte sie leicht im Luftstrom und fühlte, wie sie sich mal zum Dach der Garage emporschwang, mal in den Sturzflug überging.
Erst als er die Augen wieder öffnete, bemerkte er den kleinen Zettel am Lenkrad.
»Arthur, falls Du den Wagen fahren möchtest, findest Du auf dem rechten Regal ein Batterieladegerät. Bevor Du den Zündschlüssel umdrehst, tritt das Gaspedal zweimal durch, um Benzin anzupumpen. Wundere dich nicht, wenn er sofort anspringt, es ist ein Ford von 1961, da ist das ganz normal.
Der Kompressor für die Reifen ist in seiner Schachtel unter dem Ladegerät. Sei umarmt. Antoine.«
Er stieg aus dem Auto, schloss die Tür wieder und war auf dem Weg zum Regal, als er in einer Ecke der Garage das Boot entdeckte. Er trat zögernd näher und streichelte es mit den Fingerspitzen. Unter der hölzernen Sitzbank fand er eine Angel, seine Angel, die grüne Schnur mit dem rostigen Haken am Ende war ordentlich auf die Korkspule gewickelt. Von Erinnerungen überwältigt, hockte er sich für einen Augenblick hin. Schließlich erhob er sich wieder, nahm das Ladegerät, 188
öffnete die Motorhaube des alten Ford, schloss die Kabel an und lud die Batterie. Als er aus der Garage trat, öffnete er sperrangelweit die Flügel des Tores.
George hatte sein Heft aufgeschlagen und machte sich Notizen. Er ließ seinen Verdächtigen nicht aus den Augen. Er sah ihn den Tisch decken, Platz nehmen, frühstücken, wieder abräumen. Als Arthur auf den Kissen im Schatten der Veranda einnickte, genehmigte er sich eine Vesperpause. Er verfolgte mit, wie Arthur erneut in die Garage ging, er hörte das Geräusch des Kompressors und dann das des V6-Motors, der nach zwei Hustern ansprang. Er warf dem Auto einen anerkennenden Blick zu. Während es zum Haus hinunterrollte, beschloss er, seine Überwachung zu unterbrechen, und begab sich ins Dorf, um ein paar Informationen über diesen sonderbaren Mann einzuholen. Gegen zwanzig Uhr kehrte er auf sein Zimmer zurück und rief Nathalia an.
»Und«, sagte sie, »wie weit bist du?«
»Gar nicht weit. Nichts Ungewöhnliches. Zumindest fast nichts. Er ist allein und macht den ganzen Tag jede Menge Zeug, putzt, bastelt, unterbricht sich zum Mittag- und zum Abendessen. Ich habe die Ladenbesitzer befragt. Das Haus hat seiner Mutter gehört, die schon vor Jahren gestorben ist.
Danach bewohnte es der Gärtner, bis zu seinem Tod. Du siehst, das bringt mich nicht wirklich weiter. Er hat das Recht, das Haus seiner Mutter wieder zu beziehen, wann es ihm passt.«
»Warum also >fast«
»Weil er sich merkwürdig aufführt, er redet laut mit sich selbst, bei Tisch benimmt er sich, als wäre er nicht allein, und manchmal steht er zehn Minuten lang mit erhobenem Arm am Meer.
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