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Marc Levy

Marc Levy

Titel: Marc Levy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solange du da bist
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desjenigen Häuserblocks arbeiteten oder 179
    wohnten, um den der Krankenwagen am Abend der Entführung seine Runden gedreht hatte.
    Einer von ihnen wäre vielleicht verdächtig, weil er den Hund von Mrs. Kline gestreichelt und erklärt hatte, dass er gegen Sterbehilfe sei, was, wie Pilguez sich selbst eingestehen musste, nicht wirklich als Motiv für eine Entführung gelten konnte. Eine richtige Scheißuntersuchung, um es mit seinen Worten zu sagen.
    Nur von wenigen Nebelschleiern verhangen, ging die Sonne an diesem Mittwochmorgen über Carmel auf. Lauren war früh erwacht. Sie hatte das Zimmer verlassen, um Arthur nicht zu wecken, und verwünschte ihre Unfähigkeit, ihm auch nur ein einfaches Frühstück zuzubereiten. Schließlich aber musste sie sich ihre Dankbarkeit dafür eingestehen, dass er sie inmitten dieser Irrungen und Wirrungen hatte berühren, spüren und lieben können wie eine ganz und gar lebendige Frau. Es gab eine Reihe von Phänomenen, die sie niemals verstehen würde, die sie sich aber auch gar nicht mehr zu erklären versuchte. Sie dachte daran, was ihr Vater früher einmal gesagt hatte:
    »Nichts ist unmöglich, allein unserem beschränkten Geist erscheinen bestimmte Dinge unbegreiflich. Man muß oft mehrere Gleichungen lösen, um einer neuen Theorie zu Anerkennung zu verhelfen. Es ist allein eine Frage der Zeit und der Grenzen unserer Intelligenz. Ein Herz zu verpflanzen, ein dreihundertundfünfzig Tonnen schweres Flugzeug zum Fliegen zu bringen, auf dem Mond herumzulaufen, dafür bedurfte es harter Arbeit, aber auch einiger Phantasie. Wenn also unsere allwissenden Gelehrten es für unmöglich erklären, ein Gehirn zu verpflanzen, sich mit Lichtgeschwindigkeit fortzubewegen oder einen Menschen zu klonen, dann sage ich mir, dass sie die Grenzen ihres eigenen Geistes noch immer nicht erkannt haben, dass sie nach wie vor nicht bereit sind, alles für möglich zu halten und es nur als eine Frage der Zeit anzusehen, die man braucht, um zu verstehen, wie es möglich 180
    sein wird.«
    Alles, was sie erlebte und erfuhr, war unlogisch, unerklärbar, es widersprach sämtlichen Grundsätzen ihrer
    wissenschaftlichen Bildung - aber es war so. Seit zwei Tagen schlief sie mit einem Mann, spürte und empfand dabei intensiver als je zuvor, selbst als sie noch lebte, als Körper und Seele noch eins waren. Und während sie den majestätischen Feuerball über dem Horizont aufgehen sah, war das Wichtigste für sie, dass es andauern würde.
    Arthur wachte kurz nach ihr auf, fand sie nicht mehr im Bett, schlüpfte in einen Bademantel und trat auf die kleine Freitreppe. Seine Haare waren in Aufruhr, und er versuchte sie mit der Hand zu glätten. Er fand Lauren auf den Felsen und schlang seine Arme um sie, ohne dass sie ihn hatte kommen hören.
    »Es ist wunderbar«, sagte er.
    »Weißt du was? Da wir die Zukunft nicht vorherbestimmen können, sollten wir den Koffer wieder schließen und in der Gegenwart leben. Möchtest du einen Kaffee trinken?«
    »Ja, ich glaube, den brauche ich. Und dann zeige ich dir die Ohrenrobben, die an der Felsspitze baden.«
    »Echte Ohrenrobben?«
    »Und Seehunde und Pelikane und ... bist du noch nie hier herausgefahren?«
    »Ich habe es einmal versucht, aber es ist mir nicht gelungen.«
    »Kommt darauf an, wie du die Sache betrachtest. Außerdem dachte ich, wir sollten unsere Koffer zumachen und in der Gegenwart leben?«
    An demselben Mittwoch legte der Polizeischüler nicht eben leise die dicke Akte, die er zusammengestellt hatte, auf Pilguez'
    Schreibtisch.
    »Was gibt sie her?« fragte dieser, noch bevor er nur einen Blick darauf geworfen hatte.
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    »Sie werden enttäuscht und zugleich begeistert sein.«
    Um seiner an Gereiztheit grenzenden Ungeduld Ausdruck zu verleihen, klopfte Pilguez auf seinen Krawattenknoten: »Eins, zwei, eins, zwei, alles o.k., Junge, mein Mikro funktioniert, du kannst loslegen!« Der Polizeianwärter warf einen Blick auf seine Notizen. Sein Architekt hatte nichts Verdächtiges an sich.
    Er war ein Typ, wie er normaler nicht hätte sein können, er nahm keine Drogen, hatte ein gutes Verhältnis zu seinen Nachbarn und war natürlich nicht vorbestraft. Er hatte in Kalifornien studiert und dann einige Zeit in Europa verbracht, bevor er zurückgekehrt war, um sich in seiner Geburtsstadt niederzulassen. Er gehörte keiner Partei und keiner Sekte an, kämpfte nicht für irgendeine Sache. Er zahlte seine Steuern und Strafzettel und war noch nie betrunken am Steuer

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