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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Unsinn. In Wahrheit waren die Straßen jeder Han-Stadt
    -darunter sowohl die gepflasterten als auch die Wasserstraßen von Hang-zho - bewußt in der Art der Schriftzeichen der Han angelegt. Der Marktplatz der Stadt -oder jeder der Marktplätze in einer Stadt wie Hang-zho, wo es deren so viele gab -war wie ein Rechteck angelegt, doch alle Straßen, die darauf zuführten, waren winkelig und gebogen und wiesen Ecken und Biegungen auf, genauso wie es der Pinselstrich eines geschriebenen Han-Wortes tut. Mein persönliches yin könnte durchaus der Straßenplan irgendeiner ummauerten Han-Stadt sein.
    Hang-zho war, wie es sich für eine Hauptstadt gehört, sehr zivilisiert und verfeinert und ließ in vielem erlesenen Geschmack erkennen. In Abständen waren an jeder Straße hohe Vasen aufgestellt, in die Hausbesitzer oder Ladenbesitzer zum Entzücken der Vorübergehenden Blumen hineinstellten. Um diese Jahreszeit quollen sie über von Chrysanthemen in leuchtenden Farben. Diese Blume war übrigens das Nationalzeichen von Manzi, fand sich auf allen amtlichen Verlautbarungen und Dokumenten und dergleichen wieder und wurde deshalb verehrt, weil die strahlenden Lanzetten ihrer Blüten von ferne an die Sonne und ihre Strahlen erinnerten. Desgleichen waren in gewissen Abständen Pfähle mit Kästen daran aufgestellt, die, wie mein Schreiber mir erklärte, folgende Aufschrift trugen: »Behältnis für die respektvolle Aufnahme heiligen Papiers«. Darunter verstehe man, wie er mir gleichfalls erklärte, jedes Papier mit Schriftzeichen darauf. Gewöhnliche Abfälle wurden einfach zusammengefegt und fortgebracht, doch das geschriebene Wort erfreute sich einer solchen Hochachtung, daß alles beschriebene Papier zum Verbrennen in einen besonderen Tempel gebracht wurde.
    Doch Hang-zho war in anderer Hinsicht auch eine grelle und wollüstige Stadt, wie es sich für ein reiches Handelszentrum wohl gehört. Wir hatten den Eindruck, daß noch die niedrigste Person auf den Straßen mit Ausnahme reisestaubbedeckter Neuankömmlinge, wie wir es waren, luxuriös in Samt und Seide gekleidet und mit klirrendem Schmuck behangen war. Wenn auch Bewunderer von Hang-zho die Stadt einen Himmel auf Erden nannten, nannten die Bewohner anderer Städte sie den »Schmelztiegel des Geldes«. Auch sah ich auf der Straße und bei hellichtem Tag Gruppen von müßig dahinschlendernden Mietmädchen, welche die Han »Wildblumen« nennen. Außerdem gab es viele nach vorn hin geöffnete Wein-und cha-Stuben mit Namen wie Reines Entzücken, Quell der Erfrischung und Djennet-Garten (wobei letzterer vornehmlich von muslimischen Einwohnern und Durchreisenden aufgesucht wurde) -und von denen einige, wie mein Schreiber mir verriet, tatsächlich Wein und cha ausschenkten, die jedoch vor allem als Treffpunkte mit den »Wildblumen« dienten.
    Die Namen der Hang-zhoer Straßen und auffälligen Gebäude schwankten zwischen geschmackvoll und übertrieben. Viele davon klangen reizend poetisch; so hieß eine der Parkinseln Pavillon, von dem im Morgendämmer Reiher aufsteigen. Einige der Namen schienen auch mit lokalen Legenden verbunden; ein Tempel hieß zum Beispiel Heiliges Haus, das hierdurch den Himmel geboren ward. Andere hinwieder beschrieben kurz und bündig, um was es ging: Ein Tinte zum Trinken genannter Kanal wies keineswegs tintenschwarzes, sondern klares und sauberes Wasser auf; gesäumt wurde der Kanal von einer Reihe von Schulhäusern, und wenn ein Han von Tintetrinken spricht, meint er damit gelehrtes Lernen. In anderen Namen wurde weit umständlicher beschrieben. So handelte es sich bei der Gasse der Blumen, garniert mit bunten Vogelfedern nur um eine kurze Straße, in der Hutmacher lebten. Und manche Namen waren so umständlich, daß es nicht zu fassen war. So hieß die Hauptstraße, die von der Stadt landeinwärts führte, Gepflasterte Allee, die sich lange zwischen Riesenbäumen und kaskadenhaft fallenden Wasserläufen hindurchwindet und schließlich zu einem alten buddhistischen Tempel auf einer Hügelkuppe hinanführt.
    Darin, daß in Hang-zho große Tiere nicht das Zentrum der Stadt betreten dürfen, glich sie wieder Venedig. In meiner Heimatstadt muß ein Reiter, wenn er vom festländischen Mestre kommend in der Stadt eintrifft, sein Pferd in einem Gehege an der Nordwestseite der Insel anhalftern und den Rest des Weges mit einer góndola zurücklegen. Als wir nun in Hang-zho eintrafen, ließen wir unsere Reitpferde und Lasttiere in einer karwansarai in den

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