Marcus Gladiator 02 - Strassenkämpfer
nachdem er die Situation mit Crassus, Pompeius und Decimus hundert Mal von allen Seiten betrachtet hatte, war er einer Antwort noch kein bisschen näher gekommen, als er mit müdem Kopf schließlich Schlaf fand.
»Aufwachen, Marcus, du verschlafener Narr!«, brüllte Festus ihn an, zog seinen Stock hervor und schlug ihn Marcus auf die Schulter. Marcus verspürte einen brennenden Schmerz, schnitt eine schmerzerfüllte Grimasse, fuhr zurück, zog rasch seinen Knüppel hervor und war bereit, den nächsten Schlag zu parieren. Marcus nahm Festus diese harsche Behandlung nicht übel. Schließlich brachte Festus ihm Techniken zum Überleben bei, und Marcus wusste, dass er heute Morgen bisher sehr langsam gewesen war und sich nach seiner beinahe schlaflosen Nacht nur mit Mühe konzentrieren konnte. Aber er hatte einen Entschluss gefasst: Er würde abwarten und herausfinden, wie Decimus in Caesars Welt passte. Dann konnte er entscheiden, was am besten zu tun wäre. Nun konzentrierte er sich wieder auf den Kampf, weil er wusste, dass er diese Fertigkeiten brauchen würde, um Portia zu beschützen.
»So ist es gut.« Festus nickte zufrieden. »Viel besser, Marcus. Du musst stets hellwach bleiben. Du kannst es dir nicht leisten, auf der Straße langsam zu reagieren. Du könntest aus jeder Richtung und jederzeit angegriffen werden. Und wenn deine Augen nicht offen und deine Ohren nicht gespitzt sind, dann ist es zu spät, etwas zu unternehmen.« Ehe er seinen Satz beendet hatte, sauste sein Stock schon wieder auf Marcus zu, diesmal in einem hohen Bogen auf dessen andere Schulter. Es war eine vorhersehbare Bewegung, und Marcus reagierte instinktiv, um sie abzublocken. Doch sogleich riss Festus den Stock in die Höhe, und schon sauste er wieder durch die Luft, in Richtung auf Marcus’ Kopf. Marcus ließ sich auf ein Knie fallen und riss seinen Knüppel hoch, sodass der Stock stattdessen gegen den Griff prallte.
»Guter Junge«, grunzte Festus anerkennend, als er zurücktrat und den Knüppel sinken ließ. Wiederum befanden sie sich in dem kleinen Innenhof neben dem Haus, wo Festus seine Leute ausbildete und mit ihnen exerzierte. »Wenn du dich außerhalb des Hauses aufhältst, ist der Knüppel die erste Waffe, die du in einem Kampf einsetzen kannst. Alle Klingen, die du bei dir führst, sind entweder in deinem Gürtel versteckt oder unter deiner Tunika verborgen. Sie nutzen nichts, wenn du plötzlich angegriffen wirst. Sie sind nur hilfreich, wenn du Zeit genug hast, sie zu ziehen. Oder wenn du der Angreifer bist oder im Hinterhalt liegst. Begriffen?«
»Jawohl, Meister.«
»Natürlich kann man den Knüppel auf viele verschiedene Weisen einsetzen«, fuhr Festus fort, während er den Stock über den Kopf erhob. »Nur ein Narr oder ein ungeübter Kämpfer, was auf der Straße auf das Gleiche herauskommt, schwingt den Knüppel.«
Er ließ den Stock sinken und stieß die Spitze vor, zog wiederum den Angriff in letzter Minute zurück, sodass er Marcus nur sanft auf die Brust tippte. Marcus zuckte nicht mit der Wimper, genau wie man es ihm beigebracht hatte. Taurus hatte einmal gesagt, dass der Kampf zwischen Gladiatoren bereits in dem Augenblick halb gewonnen war, wenn einer der Kämpfer seinen Gegner zum Wegsehen zwang.
Festus lachte anerkennend. »Vielleicht hat der Herr recht gehabt. Du bist der geborene Krieger. Mit der richtigen Ausbildung und wenn du lange genug überlebst, wirst du eines Tages ein großartiger Gladiator.«
Marcus spürte, wie ihm bei diesem Gedanken das Blut in den Adern gefror. Er wollte um keinen Preis nur zur Unterhaltung des blutrünstigen Pöbels gezwungen sein, auf Leben und Tod mit einem anderen Menschen zu kämpfen, wenn in der Arena zwei Sklaven zum Vergnügen ihrer Herren gegeneinander antreten mussten.
Plötzlich hatte er das unheimliche Gefühl, dass jemand neben seiner Schulter stand und ihm zusah. Er schaute sich kurz um, sah aber nur den schlichten, verwitterten Putz an der Hofmauer. Trotzdem hatte er gespürt, dass da etwas oder jemand war, und es lief ihm eiskalt über den Rücken. Vielleicht war es der Schatten seines Vaters gewesen – seines wirklichen Vaters Spartakus. Was würde der davon halten, dass sein Sohn für einen der mächtigsten Männer Roms arbeitete, für jemanden, der für alles stand, was sein Vater bekämpft hatte?
Marcus bemerkte, dass eine kurze Stille eingetreten war und Festus ihn ärgerlich anschaute. Er erinnerte sich rasch an die letzten Worte, die Festus an
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