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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Stadt umringten. Dies waren keine
flachen, eilig aufgeworfenen Schützengräben mehr, sondern brusthohe Erdwälle,
mit Sandsäcken verstärkt und von Palisaden überhöht. Meile um Meile umgaben
diese Bastionen die Stadt und warteten der Männer, die sie füllen sollten.
    Die
Einwohner boten den Truppen einen so begeisterten Willkommen wie nach einem
Siege. In jedem Herzen wachte die Angst, aber seitdem man die Wahrheit wußte,
seitdem das Schlimmste geschehen und der Krieg in ihre Vordergärten
eingedrungen war, hatte die Stadt sich gewandelt. Nichts war mehr von Panik,
nichts von überspannter Erregung zu spüren. Was auch in den Herzen wohnen
mochte, auf den Gesichtern zeigte sich nichts. Jeder schaute zuversichtlich
drein, auch wenn ihn seine Zuversicht verzweifelte Mühe kostete. Jeder suchte
den Truppen ein mutiges, vertrauensvolles Gesicht zu zeigen. Was der alte Joe
gesagt hatte, kurz bevor ihm der Oberbefehl genommen wurde, ging von Mund zu
Mund: »Ich kann Atlanta ewig halten.«
    Seit Hoods
Niederlage wünschten sie sich alle, Soldaten und Zivilisten, den alten Joe
zurück. Aber sie sagten es nicht und machten sich Mut mit seinen Worten: »Ich
kann Atlanta ewig halten.«
     
    Die
vorsichtige Taktik des alten Joe war Hoods Sache nicht. Er griff die Yankees im
Osten und er griff sie im Westen an. Sherman umkreiste die Stadt wie ein
Ringer, der den Körper des Gegners aufs neue zu packen sucht, aber Hood wartete
ihn nicht in seinen Unterständen ab. Er kam kühn aus den Stellungen hervor und
fiel wütend über die Yankees her. Im Verlaufe weniger Tage wurden die
Schlachten bei Atlanta und bei der Esrakirche geschlagen, beides größere
Kampfhandlungen, neben denen das Treffen am Pfirsichbach sich wie ein
Scharmützel ausnahm.
    Die
Yankees hatten schwere Verluste erlitten, aber sie konnten es sich leisten,
immer von neuem zu stürmen, und dabei überschütteten ihre Geschütze Atlanta mit
Granaten, erschlugen die Leute in ihren Häusern, rissen die Dächer ab und
wühlten riesige Krater ins Straßenpflaster. Die Bewohner suchten, so gut sie
konnten, Schutz in Kellern und Erdlöchern und in flachen Tunneln, die in die
Eisenbahndämme gegraben wurden. In Atlanta herrschte Belagerungszustand. Elf
Tage nach der Übernahme des Oberbefehls hatte General Hood bereits fast
ebensoviel Verluste wie Johnston nach vierundsiebzig Tagen Kampf und Rückzug zu
verzeichnen, und Atlanta war von drei Seiten eingeschlossen.
    Die
Eisenbahn nach Tennessee war jetzt in ihrer ganzen Länge in Shermans Händen.
Seine Front lief auch quer über die Bahn nach dem Osten, und außerdem hatte er die
Linie, die von Südwesten auf Atlanta zulief, abgeschnitten. Nur ein einziger
Schienenstrang, der südliche, nach Macon und Savannah, lag noch frei. Die
gepeinigte Stadt war von Soldaten, Verwundeten und Flüchtlingen überschwemmt.
Die einzige Bahnlinie konnte selbst die notwendigsten Bedürfnisse bei weitem
nicht befriedigen. Aber solange sie gehalten wurde, vermochte Atlanta noch
standzuhalten.
    Scarlett
erschrak, als sie begriff, wie wichtig diese Strecke jetzt geworden war, wie
heftig Sherman darum kämpfte, und wie verzweifelt Hood sie verteidigen mußte.
Das war die Linie, die durch die Provinz, durch Jonesboro führte. Und Tara lag
nur fünf Meilen von Jonesboro entfernt! Tara erschien ihr wie ein Hafen des
Friedens im Vergleich mit der grauenhaften Hölle von Atlanta, aber Tara lag nur
fünf Meilen von Jonesboro entfernt!
    Mit vielen
anderen Damen zusammen saß auch Scarlett im Schatten ihres winzigen
Sonnenschirms auf dem flachen Dach eines Kaufhauses und sah am Tage der
Schlacht bei Atlanta dem Kampfe zu. Aber als die ersten Granaten in die Straße
fielen, flohen alle in die Keller, und in der Nacht begann der Auszug von
Frauen, Kindern und alten Leuten aus der Stadt. Sie wollten nach Macon. Viele
von denen, die in jener Nacht den Zug bestiegen, waren schon fünfund sechsmal
vorher geflohen, während Johnston seinen Rückzug von Dalton vollzog. Ihr Gepäck
war jetzt leichter als bei ihrer Ankunft in Atlanta. Viele hatten nur eine
Reisetasche und ein spärliches Frühstück, in ein Taschentuch geknotet, bei
sich. Hier und da trugen angstvolle Dienstboten silberne Kannen, Messer und
Gabeln oder ein paar Familienbilder, die bei der ersten Flucht gerettet worden
waren.
    Mrs.
Merriwether und Mrs. Elsing weigerten sich, die Stadt zu verlassen. Sie wurden
im Lazarett gebraucht und erklärten, sie hätten keine Angst und kein Yankee
sollte

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