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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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ob
Carreen noch lebte oder nicht. Ach, wäre sie nur beim Beginn der Belagerung
nach Hause gegangen, ganz gleich, was aus Melanie wurde!
    Bei
Jonesboro wurde gekämpft, das wußte man in Atlanta, aber weiter auch nichts.
Die schrecklichsten Gerüchte durchschwirrten die Stadt. Schließlich kam ein
Kurier mit der beruhigenden Nachricht, die Yankees seien zurückgeschlagen
worden. Aber sie waren bis nach Jonesboro hinein vorgestoßen, hatten den
Bahnhof verbrannt, die Telegraphenverbindungen zerstört und drei Meilen
Schienen aufgerissen, ehe sie sich zurückzogen. Die Pioniere arbeiteten mit
verzweifelten Kräften, um den Strang wieder instand zu setzen. Und es konnte
einige Zeit dauern, denn die Yankees hatten sogar die Schwellen aufgebrochen
und Freudenfeuer damit entfacht. Alsdann hatten sie die Schienen in das Feuer
gelegt, bis sie rotglühend waren, und sie um die Telegraphenpfähle gebogen, so
daß diese wie riesige Korkenzieher aussahen, und es war sehr schwer,
Eisenbahnschienen, wie überhaupt irgend etwas aus Eisen, zu ersetzen.
    Nein, nach
Tara waren die Yankees nicht gekommen. Derselbe Kurier, der dem General die
Depesche brachte, versicherte es Scarlett. Er hatte Gerald nach der Schlacht
bei Jonesboro getroffen, und Gerald hatte ihn gebeten, einen Brief für Scarlett
mitzunehmen. Aber was hatte Pa in Jonesboro zu tun? Der junge Kurier antwortete
mit einiger Verlegenheit, Gerald sei auf der Suche nach einem Militärarzt
gewesen, der mit ihm nach Tara gehen sollte.
    Während
Scarlett noch im Sonnenschein vor der Haustür stand und dem jungen Mann für
seine Bemühungen dankte, versagten ihr fast die Knie.
    Carreen
mußte dem Tod sehr nahe sein, wenn ihr Zustand so weit über Ellens Heilkunst
hinausging, daß nach einem Doktor geschickt werden mußte. Als der Kurier in
einem Staubwirbel davonritt, öffnete Scarlett mit bebenden Fingern Geralds
Brief. Die Papierknappheit war in den Südstaaten so groß, daß Gerald seine
Mitteilungen zwischen die Zeilen ihres letzten Briefes an ihn geschrieben
hatte, und sie waren deshalb schwer zu entziffern.
    »Liebe
Tochter, Deine Mutter und beide Mädchen haben den Typhus, sie sind sehr krank,
aber wir wollen das Beste hoffen. Als Deine Mutter sich zu Bett legte, trug sie
mir auf, Dir zu schreiben, Du möchtest unter keinen Umständen nach Hause kommen
und Dich und den Jungen der Ansteckung aussetzen. Sie läßt Dich herzlich grüßen
und bittet Dich, für alle zu beten.«
    Für sie
beten! Scarlett flog die Treppe hinauf, fiel vor dem Bett auf die Knie und
betete, wie sie nie zuvor gebetet hatte. Dies waren keine Rosenkranzformeln,
sondern immer dieselben inbrünstigen Worte: »Mutter Gottes, laß sie nicht
sterben! Ich will gut werden, wenn du sie nicht sterben läßt! Bitte, bitte, laß
sie nicht sterben!«
    Eine Woche
lang schlich sie wie ein angeschossenes, todwundes Tier durch das Haus. Sie
wartete vergeblich auf Nachrichten. Bei jedem Hufschlag schreckte sie empor,
stürzte nachts die dunkle Treppe hinunter, wenn Soldaten an die Tür klopften,
aber aus Tara kam nichts. Es war, als läge zwischen ihr und daheim ein ganzer
Erdteil anstatt der fünfundzwanzig Meilen staubiger Landstraße.
    Der
Postdienst war immer noch unterbrochen, und niemand wußte, wo die
Konföderierten standen, noch was die Yankees im Sinn hatten. Alles, was man
wußte, war, daß Tausende von blauen und grauen Truppen irgendwo zwischen
Atlanta und Jonesboro standen. Eine Woche lang kam kein Sterbenswort aus Tara.
    Scarlett
hatte im Lazarett genug vom Typhus gesehen, um zu wissen, was eine Woche bei
dieser furchtbaren Krankheit bedeutete. Ellen war vielleicht todkrank. Scarlett
saß hier hilflos in Atlanta und hatte eine schwangere Frau zu pflegen, und
zwischen ihr und der Heimat lagen zwei Armeen. Ellen krank - vielleicht
sterbend! Ellen war nie krank gewesen. Der Gedanke allein war unglaublich und
rührte an die Grundfesten von Scarletts Lebensgefühl. Ellen war nie krank,
sondern sie pflegte Kranke und machte sie wieder gesund. Scarlett wollte nach
Hause. Sie begehrte nach Tara wie ein verängstigtes Kind, das verzweifelt nach
der einzigen Zufluchtsstätte ruft, welche es kennt.
    »Ach, die
verwünschte Melanie«, dachte sie wohl tausendmal. Sie mußte auf das Kind
warten! Warum kam es nicht! Sie wollte zu Dr. Meade laufen und ihn fragen, ob
es kein Mittel gäbe, die Geburt zu beschleunigen, damit sie, Scarlett, nach
Hause konnte. Sie würde zu General Hood gehen und um eine Eskorte bitten,

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