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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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konnte mit den drei
kranken Frauen nicht mehr entfliehen.
    Barfuß
ging sie auf dem Fußboden auf und ab. Das Nachthemd wickelte sich ihr um die
Beine. Immer deutlicher wurden ihre Ahnungen. Sie wollte nach Hause zu Ellen!
Aus der Küche vernahm sie das leise Klirren von Porzellan, während Prissy das
Frühstück bereitete, aber keinen Laut von Mrs. Meades Betsy. Prissy sang in
schwermütigem Moll das Lied vom >Alten Kentuckyhaus<: »Noch ein paar Tage
trag die Last ...« Das Lied zerriß Scarlett das Herz, sein traurig
bedeutungsvoller Inhalt jagte ihr Furcht und Schrecken ein. Sie warf sich den
Morgenrock über und rief hinunter: »Hör auf mit dem Lied, Prissy!« Ein
verdrossenes »Ja, Missis« klang zu ihr herauf. Sie holte tief Atem: »Wo ist
Betsy?«
    »Weiß
nicht, nicht gekommen.«
    Scarlett
ging an Melanies Tür, öffnete sie einen Spalt und spähte in das sonnige Zimmer.
Melanie lag in ihren Kissen, die Augen noch geschlossen und dunkel gerändert,
das herzförmige Gesichtchen geschwollen, der schlanke Körper entstellt.
Scarlett verspürte den bösen Wunsch, Ashley möge sie so sehen. Sie sah
schlechter aus als alle schwangeren Frauen, die sie jemals gesehen hatte. Unter
ihrem Blick öffnete Melanie die Augen, und ihr Gesicht leuchtete in einem
warmen Lächeln auf.
    »Komm
herein«, sagte sie und drehte sich unbeholfen zur Seite. »Seit Sonnenaufgang
bin ich wach und denke nach, und ich möchte dich etwas fragen, Scarlett.«
    Scarlett
trat ins Zimmer und setzte sich auf das Bett, das grell in der blendenden Sonne
lag. Melanie faßte sanft und vertrauensvoll nach Scarletts Hand.
    »Liebe,
die Kanonen machen mir Kummer. Es kommt von Jonesboro, nicht wahr?«
    Scarlett
nickte zustimmend, und das Herz schlug ihr rascher, als sie wieder daran
dachte. »Ich weiß, wieviel Sorge du dir machst. Wäre ich nicht gewesen, du
wärest schon vorige Woche nach Hause gefahren, nicht wahr?«
    »Ja«,
sagte Scarlett mißmutig.
    »Scarlett,
Liebling, du bist gut gegen mich gewesen. Eine Schwester könnte nicht
liebevoller und tapferer sein. Ich habe dich so lieb. Es tut mir so leid, daß
ich dir im Wege bin.«
    Scarlett
sah sie groß an.
    »Scarlett,
ich habe hier gelegen und nachgedacht und möchte dich um etwas Großes bitten.«
Sie faßte ihre Hand fester. »Wenn ich sterbe - nimmst du dann mein Kind?«
    Scarlett
zog, überwältigt von einer neuen Furcht, mit einem Ruck die Hand weg. Mit
rauher Stimme erwiderte sie: »Melly, sei keine Gans. Du stirbst nicht. Jede
Frau meint bei ihrem ersten Kind, sie stirbt. Ich habe es auch getan.«
    »Nein, das
sagst du nur, um mir Mut zu machen. Ich habe keine Angst vor dem Tode, aber ich
habe Angst davor, das Kind zu verlassen, wenn Ashley ... Scarlett, wenn du mir
versprichst, daß du mein Kind zu dir nimmst, falls ich sterbe, dann habe ich
keine Angst. Tante Pitty ist zu alt, um ein Kind aufzuziehen, und Honey und
India ... Scarlett, du sollst mein Kind haben. Versprich es mir, und wenn es
ein Junge ist, erzieh ihn wie Ashley. Ist es aber ein Mädchen ... dann wollte
ich, es gliche dir.«
    »Himmel!«
Scarlett sprang ungeduldig vom Bett auf. »Ist es hier nicht schon schlimm
genug, ohne daß auch du noch vom Sterben sprichst?«
    »Verzeih,
Liebe, aber versprich es mir. Ich glaube, es kommt heute, ich glaube es sicher.
Bitte, versprich es mir.«
    »Nun gut,
ich versprech es«, sagte Scarlett und sah sie verwundert an. War Melanie
wirklich so dumm, daß sie nicht wußte, was Ashley ihr bedeutete? Oder wußte sie
alles und meinte, Scarlett müsse gerade um ihrer Liebe willen für Ashleys Kind
sorgen? Sie fühlte den wilden Drang, Melanie mit Fragen zu bestürmen, aber da
ergriff Melanie ihre Hand und legte sie sich einen Augenblick auf die Wange.
Ihre Augen waren wieder ruhig.
    »Warum meinst du, daß es heute
kommt, Melly?«
    »Seit Tagesanbruch habe ich
Wehen.«
    »Ja, warum
hast du mich denn nicht gerufen? Ich schicke Prissy zu Doktor Meade.«
    »Nein,
Scarlett, noch nicht. Du weißt, wieviel er zu tun hat. Laß ihm nur sagen, wir
würden ihn heute noch brauchen. Schick zu Mrs. Meade hinüber und bitte sie, zu
kommen und bei mir zu sitzen.«
    »Nein, du
brauchst den Doktor genauso wie jeder im Lazarett. Ich lasse ihn sofort
kommen.«
    »Nein,
bitte nicht, manchmal dauert es einen ganzen Tag, und ich kann den Doktor doch
nicht stundenlang hier sitzen haben, während die Verwundeten ihn so dringend
brauchen. Laß nur Mrs. Meade kommen.«
    »Na gut«,
sagte Scarlett.
    Scarlett
schickte

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