Marissa Blumenthal 02 - Trauma
gestarrt haben.«
»Er macht mich verrückt«, sage Marissa und zwang sich, woandershin zu sehen. »Wenn du fertig bist, gehen wir lieber.«
»Ich bin fertig«, sagte Wendy und warf die Serviette auf ihre Extravagante Kokosnuß.
Als sie aus dem Restaurant ins Freie traten, schaute Marissa voll Ehrfurcht nach oben. Noch nie hatte sie einen solchen Sternenhimmel gesehen wie hier in der violetten australischen Nacht. Ein Blick in diese unermeßliche Weite, und sie fühlte sich sofort besser. Jetzt wunderte sie sich selber, warum sie so empfindlich auf den Asiaten reagiert hatte. Schließlich hatte er doch recht weit von ihnen entfernt gesessen.
Im Hotelzimmer setzte sich Marissa auf die Bettkante und rechnete aus, wie spät es jetzt in den Staaten war. »In Boston ist es 7.15 Uhr früh«, sagte sie. »Komm, wir rufen sie an!«
»Du zuerst«, sagte Wendy und streckte sich auf ihrem Bett aus.
Mit zitternden Fingern wählte Marissa ihre häusliche Telefonnummer. Als es am anderen Ende leise läutete, überlegte sie sich, was sie sagen wollte. Nach dem vierten Läuten ahnte sie schon, daß Robert nicht zu Haus war. Nur um sicherzugehen, ließ sie es noch zehnmal läuten. Dann legte sie auf.
»Der Schweinehund ist nicht zu Haus«, sagte sie zu Wendy. »Und vor acht geht er nie ins Büro.«
»Vielleicht ist er auf Geschäftsreise«, sagte Wendy.
»Kaum anzunehmen«, sagte Marissa. »Wahrscheinlich ist er bei Donna.«
»Nur keine voreiligen Schlüsse!« sagte Wendy. »Es gibt wahrscheinlich noch viele andere Erklärungen. Wollen mal sehen, wie es bei mir steht.« Sie setzte sich auf und wählte ihre Nummer.
Marissa sah Wendy, den Hörer am Ohr, warten. Schließlich ließ Wendy den Hörer auf die Gabel fallen. »Gustave ist auch nicht zu Haus«, sagte sie und lächelte gequält. »Vielleicht frühstücken sie zusammen.«
»Gustave ist doch Chirurg«, sagte Wendy. »Um welche Zeit geht er sonst aus dem Haus?«
»Ungefähr um 7.30 Uhr«, sagte Wendy. »Es sei denn, er muß operieren. Aber es stimmt, er hat in letzter Zeit viel operiert.«
»Na ja, dann«, sagte Marissa.
»Wird wohl so sein«, sagte Wendy. Aber überzeugt klang es nicht.
»Machen wir noch einen kleinen Spaziergang!« sagte Marissa, stand auf und reichte ihrer Freundin die Hand. Gemeinsam wanderten sie zum Strand hinunter. Eine Weile sagte keine ein Wort.
Schließlich brach Marissa das Schweigen. »Ich habe ein schlechtes Gefühl wegen meiner Ehe. In letzter Zeit hatten Robert und ich ständig Meinungsverschiedenheiten. Es ist nicht nur diese Sache mit Donna.«
Wendy nickte. »Ich muß sagen, daß das ganze Theater mit der künstlichen Befruchtung ein mächtiger Streß für Gustave und mich war.«
Marissa seufzte. »Wenn ich daran denke, wie verheißungsvoll unsere Beziehung begonnen hat…«
Die Frauen blieben stehen. Ihre Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, und vor sich sahen sie schattenhaft ein Paar in enger Umarmung.
»Das stimmt mich sehnsüchtig«, sagte Marissa. »Und traurig.«
»Mich auch«, sagte Wendy. »Vielleicht gehen wir lieber in der anderen Richtung weiter.«
Sie wanderten zum Hotel zurück. Dort begegnete ihnen ein Pärchen mit einem Kinderwagen, in dem ein schreiender Säugling lag. Mann und Frau betrachteten zufrieden die Schaufenster, ohne sich um das weinende Kind zu kümmern.
»Ist das zu glauben, daß Leute mit so einem kleinen Kind auf diese Insel reisen?« sagte Wendy. »Das arme Ding hat wahrscheinlich Sonnenbrand.«
»Ich finde es schrecklich, daß sie das Kind so lange aufbleiben lassen«, sagte Marissa. »Sieht doch jeder, daß es übermüdet ist.«
Ihre Blicke begegneten sich. Beide mußten lächeln und schüttelten den Kopf.
»Neid ist ein scheußliches Gefühl«, sagte Wendy.
»Aber wenigstens sehen wir es ein«, sagte Marissa.
Bei Tagesanbruch holte Wendy Marissa aus dem Bett. Auf dem Lanai, der Veranda, nahmen sie ein reichhaltiges englisches Frühstück mit Kaffee, Eiern, Speck und Toast ein. Indessen ging eine riesige tropische Sonne auf. Der Himmel war wolkenlos. Kurz vor acht kamen sie an dem Boot an. Der Kapitän hatte bereits beide Dieselmotoren angelassen. Zuerst warfen sie die Umhängetaschen mit den Badeanzügen und anderem Zubehör an Bord. Dann kletterten sie über das Schanzdeck.
»’n Tag«, sagte Rafe. »Immer noch abenteuerlustig?«
»Und ob«, sagte Wendy.
»Macht es den Damen was aus, mit Hand anzulegen?« fragte Rafe.
»Überhaupt nicht«, sagte
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