Marissa Blumenthal 02 - Trauma
Wirkung. Langsam stieg Freddie aus.
»Gehen Sie bitte zu dem anderen Wagen!« sagte der Mann mit der Kanone. Freddie ging hin. Als er ankam, sagte der Mann zu ihm, er solle einsteigen. Freddie tat, wie ihm geheißen. Der Mann mit der Kanone stieg auch ein und setzte sich neben ihn. Vor sich sah Freddie, wie die beiden anderen Männer in seine Limousine stiegen.
Immer wenn Willy auf dem Flughafen Kai Tac ankam, war er glücklich. Zwar war er in Sidney geboren und fühlte sich durch und durch als Australier. Doch Vater und Mutter stammten aus Hongkong. Willy hatte sich zur Kronkolonie immer besonders hingezogen gefühlt. Außerdem hatte er dort auch noch Angehörige.
Als erstes nahm er einen Mietwagen. Daß die Parksituation in Hongkong ein Alptraum war, kümmerte ihn nicht weiter. Der Wagen war nur als Operationsbasis gedacht, und er konnte ihn jederzeit irgendwo stehen lassen. Beim Mieten hatte er falsche Papiere vorgelegt. Davon hatte er mehrere Sätze mitgebracht.
Sein erstes Ziel war ein Restaurant im Bezirk Mong Kok in Kowloon, eins der am stärksten bevölkerten Viertel der Welt. Das Restaurant lag in der schmalen und völlig verstopften Canton Street. Willy ließ den Wagen zwischen zwei Verkaufsständen aus Zeltleinwand stehen, die Töpfe, Pfannen und Schüsseln führten. Vorher hatte er dem zuständigen Polizisten ein angemessenes Schmiergeld in die Hand gedrückt.
Zu dieser Zeit des Vormittags war das Restaurant fast leer. Willy ging geradewegs in die Küche, wo die Köche im Schweiße ihres Angesichts die Speisen für das Mittagessen zubereiteten. Der Boden war zwei, drei Zentimeter hoch mit Fett und festgetretenen Abfällen bedeckt.
Hinter der Küche befanden sich mehrere Zimmer, die als Büros genutzt wurden. Im ersten saß eine ältere Frau im hochgeschlossenen schwarzen Seidenkleid am Schreibtisch. Vor sich hatte sie einen Abakus. Die Holzkugeln klapperten, als sie daran rechnete.
Respektvoll verbeugte sich Willy und sagte der Frau, wer er war. Ohne ein Wort zu erwidern, zog sie eine Schreibtischlade auf, entnahm ihr ein in braunes Papier eingewickeltes und mit einer Kordel verschnürtes Paket und gab es Willy, der sich abermals verbeugte.
Im Wagen entfernte Willy die Schnur und wickelte das Paket aus. Die Waffe war eine nagelneue 9-mm-Heckler-&-Koch-Pistole. Probeweise wog er die Waffe. Sie lag gut in der Hand.
Willy zog das Magazin heraus und vergewisserte sich, daß es voll geladen war. In dem braunen Papier fanden sich auch noch einige Patronen zusätzlicher Munition. Willy steckte sie in die Hosentasche, obwohl er wußte, daß er sie nicht brauchen würde. Ihm hätten schon zwei Patronen vollauf genügt, und in dem Magazin steckten acht.
Willy ließ die Pistole in die innere Brusttasche gleiten und betrachtete sich im Rückspiegel. Die Waffe trug auf. Da knöpfte er das Jackett zu. Da er ins Hotel Peninsula hinein mußte, hatte er sich seinen besten Anzug angezogen. Er besah sich noch einmal im Spiegel und stellte fest, daß das Jackett zugeknöpft besser saß.
Willy fuhr die Nathan Road in südlicher Richtung entlang. Als er sich dem Hotel Peninsula näherte, spürte er ein erwartungsvolles Kribbeln. Von all den verschiedenartigen Dingen, die er für Female Care Australia zu erledigen hatte, war ihm dies das liebste. Ursprünglich hatte man ihn eingestellt, weil er fließend kantonesisch sprach. Aber dann wurden ihm im Laufe der Jahre auch andere Obliegenheiten übertragen, bei denen er sich bewährt hatte. Jetzt war er in der »Sicherheitsabteilung« zweiter Mann und hatte nur noch Ned Kelly vor sich.
Als Willy am Hotel vorfuhr, parkte er dort trotz Halteverbotsschild. Er stieg aus, ging zum Portier, nahm zweihundert Hongkong-Dollar und drückte sie dem Mann in die Hand. Auf kantonesisch fragte er:
»Mein Wagen steht doch da gut, nicht wahr?«
Der Portier ließ das Geld in die Tasche gleiten und verbeugte sich. Stolz betrat Willy das Hotel. Er war das lebende Zeugnis für die Richtigkeit des Hongkonger Ethos, nach dem eifriges Streben und harte Arbeit unweigerlich Erfolg bringen. Als Kind war er im Armenviertel von Sidney aufgewachsen und hätte sich nie träumen lassen, daß er eines Tages mit größter Selbstverständlichkeit ein Weltklassehotel betreten und sich darin wohl fühlen würde.
Von einem Haustelefon aus bat Willy die Vermittlung, ihn mit Marissa Blumenthal zu verbinden. Er wartete gespannt hoffentlich war sie wirklich hier abgestiegen. Ohne weiteres stellte man
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