Marissa Blumenthal 02 - Trauma
ihren Körper projizierte.
Marissa wälzte sich tiefer auf dem steinharten Röntgentisch.
An ihrem rechten Arm war eine Kanüle befestigt. Man hatte ihr etwas Valium eingegeben, und ihr war jetzt schwindlig. Gegen ihren Willen wurde sie die leichte Befürchtung nicht los, daß das Medikament bei ihr einen neuen Alptraum auslösen könnte.
»Okay«, sagte Dr. Tolentino. Das Gitternetz wurde auf die Gegend unterhalb ihres Nabels eingestellt. Dr. Tolentino betätigte einige elektrische Schalter, und der Röhrenkathoden-Monitor des Durchleuchtungsgeräts strahlte ein hellgraues Licht ab. Dr. Tolentino ging an die Tür und rief Dr. Carpenter.
Dr. Carpenter kam mit einer Krankenschwester herein. Beide trugen den gleichen schweren Bleischurz, den Dr. Tolentino umgeschnallt hatte, zum Schutz vor umlaufender Strahlung. Als Marissa diese gewichtige Abwehrkleidung sah, fühlte sie sich noch ausgesetzter und verwundbarer.
Gleich darauf merkte Marissa, wie man ihre Beine anhob, auseinanderspreizte und in die Fußrasten einhängte. Dann wurde das eine Ende des Tisches heruntergeklappt, so daß sie rücklings direkt an der Kante lag.
»Sie werden jetzt den Spiegel spüren«, warnte Dr. Carpenter. Marissa biß die Zähne zusammen. Sie fühlte, wie das Instrument in sie hineinglitt und sich breitmachte.
»Jetzt werden Sie einen Pieks fühlen«, sagte Dr. Carpenter. »Das ist die örtliche Betäubung.«
Marissa biß sich in der Vorahnung des Kommenden auf die Lippen. Wie Dr. Carpenter vorausgesagt hatte, fühlte sie irgendwo am unteren Rücken einen scharfen Stich.
»Und noch einmal«, sagte Dr. Carpenter.
Er gab ihr mehrere Spritzen an verschiedenen Stellen und erklärte ihr, daß sie zur örtlichen Betäubung des Gebärmutterhalses dienten.
Marissa atmete tief aus. Erst jetzt wurde ihr bewußt, daß sie die Luft angehalten hatte. In diesem Augenblick wünschte sie nur, daß die Prozedur zu Ende wäre.
Als wäre er ein Gedankenleser, sagte Dr. Carpenter: »Nur noch ein paar Minuten.«
Vor ihrem geistigen Auge sah Marissa das lange, scherenförmige Instrument, dessen Zangen sich wie zwei feindliche Klauen gegenüberstanden. Gleich würden diese Klauen das zarte Gewebe ihres Gebärmutterhalses durchtrennen.
Doch als Marissa das scharfe metallische Geräusch der zuschnappenden Klauen vernahm, spürte sie keinen Schmerz, nur einen Druck und ein Ziehen. Sie hörte, wie Dr. Carpenter mit der Schwester und mit Dr. Tolentino sprach. Danach hörte sie, wie der Röntgenapparat ansprang. Flüchtig konnte sie einen Teil des Bildes sehen, das auf dem Röntgenschirm erschienen war.
»Okay, Marissa«, sagte Dr. Carpenter, »jetzt ist die Jarcho-Röhre eingeführt ich habe Ihnen das ja erklärt und ich werde nun etwas Farbstoff hineingeben. Wahrscheinlich werden Sie etwas davon fühlen.«
Wieder hielt Marissa die Luft an, und diesmal kam der Schmerz. Er ähnelte einem schweren Krampf, der allmählich so stark wurde, daß sie sich bewegen mußte, ob sie wollte oder nicht.
»Stillhalten!« befahl Dr. Carpenter.
»Ich kann nicht«, stöhnte Marissa. Gerade als sie dachte, sie könne den Schmerz nicht länger ertragen, ließ er nach. Erleichtert stieß sie die Luft aus.
»Der Farbstoff ging nicht durch«, sagte Dr. Carpenter überrascht.
»Lassen Sie mich ein Röntgenfoto machen!« sagte Dr. Tolentino.
»Ich glaube, ich kann die Verschlüsse der Eileiter erkennen. Sie sind hier und hier.« Mit einem Bleistift zeigte er auf den Bildschirm.
»Okay«, sagte Dr. Carpenter. Dann sagte er zu Marissa, daß sie jetzt eine Röntgenaufnahme machen wollten und sie stillhalten solle.
»Was stimmt da nicht?« fragte Marissa besorgt. Aber Dr. Carpenter hörte sie nicht, oder er wollte sie nicht hören. Die drei verschwanden jetzt hinter dem Bildschirm. Marissa schaute zu dem großen Apparat hinauf, der über ihr hing.
»Nicht bewegen!« rief Dr. Tolentino.
Marissa hörte ein Klicken und ein leises Summen. Und wußte, daß ihr Körper soeben mit Millionen winziger Röntgenstrahlen bombardiert worden war.
»Wir probieren es noch einmal«, sagte Dr. Carpenter und tauchte wieder auf. »Diesmal könnte es ein bißchen mehr weh tun.«
Marissa packte die Kanten des Röntgentischs.
Der Schmerz, der jetzt kam, war schlimmer als alles, was ihr je widerfahren war. Es war, als stieße jemand mit einem Messer in ihren unteren Rücken und drehte es dann herum. Als er vorbei war, sah sie, wie sich die drei Personen vor dem Bildschirm versammelt
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