Marissa Blumenthal 02 - Trauma
doch.«
»Das ist ja das Problem«, sagte Marissa. »Es geht darum, was Vorrang hat. Ihr Männer wollt nicht einsehen, welche Bedeutung diese
Frage hat. Wenn wir ihr auf den Grund gehen, dann handeln wir verantwortungsbewußt, nicht umgekehrt.«
»Wir wollen lieber das Thema wechseln«, schlug Wendy vor.
»Ich meine«, sagte Gustave, »wir sollten es erst klären, bevor ihr Frauen euch in ernstliche Schwierigkeiten begebt.«
»Sei ruhig, Gustave!« fuhr ihm Wendy über den Mund.
»Diese fünf Fälle sind vermutlich nur die Spitze des Eisbergs«, fuhr Marissa fort. »Wie gesagt, mich erinnern sie an die Entdeckung des toxischen Schocksyndroms.«
»Der Vergleich hinkt«, sagte Robert. »Hier ist ja niemand gestorben.«
»Ach ja?« sagte Marissa herausfordernd. »Und was ist mit Rebecca Ziegler?«
7
30. März 1990
8.15 Uhr vormittags
Robert öffnete die mahagonigetäfelte Tür zu seinem Privatbüro im alten Rathaus und trat ein. Dann warf er die Brieftasche auf die Couch und ging ans Fenster. Kleine Wasserbäche flossen über die Scheiben und behinderten den Blick auf die School Street. Noch nie hatte er in Boston einen so verregneten März erlebt.
Hinter sich hörte er, wie seine Sekretärin Donna ins Zimmer kam, um ihm wie immer den Morgenkaffee und den üblichen Stapel von telefonischen Mitteilungen zu bringen.
»Das ist vielleicht ein Wetter!« sagte Donna. Sie sprach mit starkem Boston-Dialekt.
Robert drehte sich um. Donna hatte links von seinem Schreibtisch Platz genommen und sah wie jeden Morgen die Telefonmitteilungen durch. Robert betrachtete sie. Sie war ein großes Mädchen, ungefähr
1,77 m. In ihren hochhackigen Schuhen war sie praktisch genauso groß wie er. Sie hatte sich die Haare blond gefärbt. Deutlich waren die dunklen Haarwurzeln zu sehen. Sie besaß ein rundliches, aber nicht unangenehmes Gesicht, und ihre Figur verriet das tägliche Aerobic-Training. Sie war eine großartige Sekretärin, ehrlich, arbeitswillig und zuverlässig. Ihre Bedürfnisse waren einfacher Natur, und einen Augenblick fragte sich Robert, warum er nicht eine Frau wie Donna geheiratet hatte. Das hätte ihm das Leben bedeutend einfacher gemacht.
»Möchten Sie Zucker zum Kaffee?« fragte sie freundlich, und wieder klang ihr Dialekt deutlich hervor.
»Nein«, sagte Robert scharf. »Ich will überhaupt keinen Kaffee.« Donna sah von ihren Notizzetteln auf. »Wir sind heute morgen wohl ein bißchen gereizt, wie?« sagte sie.
Robert fuhr sich über die Augen, kam auf sie zu und nahm hinter dem Schreibtisch Platz. »Entschuldigen Sie«, sagte er zu Donna,
»aber meine Frau treibt mich noch zum Wahnsinn.«
»Ist es wegen ihrer Unfruchtbarkeit?« fragte Donna schüchtern. Robert nickte. »Sie hat sich völlig verändert. Angefangen hat es ungefähr zu der Zeit, da wir uns darüber klar geworden sind, daß wir ein Problem haben. Und jetzt ist sie durch dieses ganze Geschwätz über In-Vitro-Fertilisation und durch die vielen Hormonspritzen außer Rand und Band geraten.«
»Das tut mir aber leid«, sagte Donna.
»Was die Sache noch schlimmer macht«, fuhr Robert fort, »ist dies: sie hat eine alte Studienfreundin wiedergetroffen, die in der gleichen Lage ist und sich genauso unvernünftig benimmt. Sie scheinen sich gegenseitig hochzuschaukeln. Jetzt haben sie sogar damit gedroht, in eine Klinik einzubrechen, um an die Patientenakten zu kommen. Bei ihrem augenblicklichen Gemütszustand muß ich ihre Drohung leider ernst nehmen. Aber was kann ich denn tun? Und als wäre das noch nicht genug, hat diese Klinik Wachmänner, die mit Colt Pythons bewaffnet sind. Ich mache mir wirklich Sorgen um sie.«
Mit weit aufgerissenen Augen fragte Donna: »Die haben Schlangen in der Klinik?«
»Nein, nicht Schlangen. Ein Colt Python ist ein Revolver, der ein schwarzes Nashorn zur Strecke bringen kann.«
»Da kann ich Ihnen einen Rat geben«, sagte Donna. »Wenn Sie sich wirklich Sorgen darum machen, daß Marissa etwas anstellen könnte, sollten Sie für ein paar Tage einen Privatdetektiv engagieren. Der kann sie vor Schwierigkeiten bewahren, falls sie wirklich auf so was aus ist. Zufälligerweise kenne ich einen, der sehr gut ist. Er hat mal für mich meinen früheren Mann beschattet. Der Penner hatte gleichzeitig ein Verhältnis mit zwei Frauen.«
»Wie heißt der Detektiv?« fragte Robert. Er war selber nicht darauf gekommen, Marissa beschatten zu lassen, fand die Idee aber nicht schlecht.
»Paul Abrums«,
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