Mark Tate - 011 - Ein Mager läßt die Puppen tanzen
Schlaf hinter sich. Inzwischen hatte sich der Alkoholspiegel in seinem Blut so weit gesenkt, daß er sich fast wieder völlig nüchtern fühlen konnte. Er hatte ohnehin viel weniger getrunken, als es den Anschein gehabt hatte.
Noch während er am Fenster stand, hörte er es plötzlich unten in der Halle klingeln. Das war an der Rezeption. Die Stimme des Portiers drang herauf.
Raymond Walsh wurde neugierig.
Wollte jemand um diese Zeit noch ein Zimmer haben?
Er konnte nicht verstehen, was die Stimme des Portiers sagte, aber es klang nicht sehr freundlich.
Kurz entschlossen wandte sich Ray zur Treppe und stieg hinab, bis er in die Halle sehen konnte.
Der Portier hatte seinen Platz hinter dem Tresen der Rezeption verlassen.
Ray stieg noch etwas tiefer. Die Stimme des Portiers kam von der Tür her. Jetzt sah Ray ihn und konnte auch verstehen, was der Mann sagte:
»Unverschämtheit, das! Mach, daß du hier verschwindest! Hier hast du nichts zu suchen, hörst du? Von wegen hier mitten in der Nacht die Gäste stören zu wollen. Ich habe dir schon einmal gesagt, daß ich die Polizei rufe, wenn du nicht aufhörst, mich zu belästigen, kapiert?«
Der Portier wollte die Tür zuschmettern, aber da sah Ray, wer draußen stand: Cummings!
»Moment!« rief Ray und trat in die Halle hinunter.
Der Portier gehorchte verdutzt und wandte sich um.
Als er Ray erkannte, erschrak er.
»Oh, Mr. Walsh, entschuldigen Sie bitte vielmals, wenn der Lärm Ihre Nachtruhe gestört hat, aber …«
Ray winkte ab.
»Lassen Sie nur. Ich habe ohnehin nicht schlafen können. Was sucht denn Cummings hier?«
»Ja, kennen Sie den denn?« Die Blicke des Portiers wechselten erstaunt hin und her.
Cummings warf sich in die Brust.
»Sehen Sie, ich habe es Ihnen gesagt«, sagte er mit seiner krächzenden Stimme, »aber Sie wollten mir ja nicht glauben.«
Er wandte sich an Ray, der inzwischen heran war.
»Ich – ich wollte zu Ihnen, wußte aber nicht genau Ihren Namen. Nur den Vornamen habe ich gehört.«
Der Portier wollte irgend etwas zur Erklärung sagen, aber Ray beachtete ihn gar nicht. Daraufhin zog sich der Mann achselzuckend zurück.
Ray ließ Cummings eintreten. Sie unterhielten sich leise.
»Was wollten Sie von mir, Cummings?«
»Sie – Sie waren so gut zu mir. Da – da wollte ich – wollte ich …« Der Alte sprach nicht weiter. Sein Blick wurde wieder unstet.
»Heraus mit der Sprache!« forderte Ray energisch. »Was wollten Sie von mir? Habe ich Ihnen nicht genug gegeben für Ihre Geschichte?«
Cummings winkte mit beiden Händen ab.
»Nein, um Gottes willen, deshalb bin ich nicht hier. Bestimmt nicht!«
Ray wurde langsam ärgerlich. Er wurde aus dem Alten nicht klug.
»Um was dreht es sich dann?«
»Um – um Bredhouse!« stieß der Alte hervor. Er wagte nicht, Raymond Walsh direkt anzusehen.
Rays Augenbrauen rutschten zusammen.
»Um Bredhouse?« wiederholte er gedehnt. »Was ist damit? Haben Sie nicht alles erzählt?«
Der Alte schüttelte den Kopf.
»Nein, noch nicht alles.«
Ray überlegte einen Moment. Dann ließ er Cummings stehen und ging zur Rezeption hinüber.
»Wo kann ich mit Cummings reden, ohne gestört zu werden und ohne jemanden zu stören?«
Der Portier machte ein abweisendes Gesicht.
»Es tut mir leid, Sir, aber …«
Ray ließ ihn nicht aussprechen. Er erinnerte sich daran, wie wenig ein Portier verdiente, und griff in die Tasche. Leider hatte er nicht so viel dabei – schließlich hatte er den Morgenmantel an –, aber es schien zu reichen. Der Portier zuckte die Achseln und deutete zur Tür, die in einen kleinen Aufenthaltsraum führte.
»Kann man was zu trinken kriegen?« fragte Ray.
Der Portier machte eine bedauernde Geste.
»Es tut mir leid, aber das ist leider nicht möglich.«
Nun, Ray war mit seinen Freunden in einem billigen Hotel eingekehrt. Da konnte man keinen Nachtservice verlangen. Er hoffte, daß Cummings nicht sehr durstig war, und winkte den Alten herbei.
Cummings kam zögernd. Er hatte die beiden Männer miteinander reden sehen, aber auf die Entfernung nichts verstanden. Nur das Wort »trinken« hatte er recht deutlich vernommen.
Ray sah sein erwartungsvolles Gesicht, mußte ihn aber gleich enttäuschen.
»Kommen Sie, wir gehen nach nebenan. Etwas Flüssiges haben die hier allerdings nicht. Ich kann Ihnen da nicht helfen.«
In der Miene des Alten erschien ein Grinsen.
»Dessentwegen bin ich nicht da.«
Er zog eine flache, noch über die Hälfte gefüllte Flasche aus
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