Markttreiben
wie Hohn vorgekommen. Aber mit Ende vierzig? Bewahrte man da nicht
lieber Ruhe, bevor man allein war oder gar zurück auf den Markt geworfen würde?
Ein Markt der Enttäuschten und Verbitterten. Die verkauften sich auch nur noch
wie Sauerbier. Trotz »neu.de« und ähnlicher Beziehungsheilsbringer.
»Frau Bader, Sie haben also keine Ahnung von Ihrem Mann und Miriam
Keller? Sie wussten es nicht?«, insistierte Evi.
»Da gibt es nichts zu wissen.« Sie sprach die eisige und eiserne
Politikerrede. Nur immer die Fasson bewahren. Das machte sie gut.
»Frau Bader, bei Ihnen ist Leo Lang auch nie aufgetaucht?« Evi
wollte sie unbedingt aus der Reserve locken.
»Warum sollte er?«
»Um Ihnen die Bilder zu zeigen.«
»Herr Kommissar, Frau Kommissarin, ich kann Ihnen nicht helfen. Sie
können mich gerne vorladen, ich würde dann meinen Anwalt informieren.«
Sie hatte sich im Griff, wahrscheinlich war Maggie Thatcher ihr
Vorbild. Die eiserne Lady. Optisch weniger von der Natur begünstigt, deshalb
kompensierte sie den Mangel an Reizen mit Ehrgeiz.
»Frau Bader, wann haben Sie das Fest verlassen?«, fragte Evi.
»Nach eins. Wir saßen noch beim Keppeler. Der Herr
Bundestagsabgeordnete hat mich netterweise noch nach Hause gefahren. Ich war um
halb zwei hier.«
Natürlich war genug Zeit gewesen, um zurückzukommen. Auch in dem
Fall blieb ihnen nur, weiter herumzufragen, ob jemand Effi Bader gesehen hatte.
Oder Socher. Oder seine Gattin.
Als sie wieder im Auto saßen, war ihre Laune nach wie vor gedämpft.
Gerhard wusste auch, warum. Evi mit ihren sensiblen Antennen ließ sich leicht
von den Stimmungen und negativen Schwingungen anderer niederdrücken. Heute
hatte sie Paare gesehen, die keine waren. Evi und er, er und Evi – beide waren
sie Singles und immer mal wieder von Zweifeln geplagt. Er alter Brummbär war
schwer vermittelbar, da war er durchaus selbstkritisch. Aber warum Evi keinen
Partner fand, war Gerhard nicht klar. Vielleicht wollte sie gar keinen finden,
weil die Beziehungsbeispiele rundum alles andere als aufmunternd waren. Gab es
glückliche Paare? In ihrem Job traf man die selten, weil Verbrechen so oft
Beziehungstaten waren. Schönes Wort. Beziehungstaten. Taten für, wegen, gegen
Beziehungen. Was war das für eine verrückte Welt
Im Büro gab es erst mal Kaffee. Kaffeetrinken war die beste
Übersprungshandlung, die es gab. Gerhard stockte nach Rücksprache mit dem Chef
sein Team etwas auf, sie brauchten Leute, die von Tür zu Tür zogen und nach
Beobachtungen fragten. Das war zäh, aber unumgänglich. Evi hatte ihren
Yoga-Abend und verabschiedete sich.
Gerhard fuhr heim, drehte mit Seppi eine Runde im Wald und war
irgendwie getrieben. Als er sich in sein Auto setzte, gab er nur vor, ziellos
umherzufahren. Eigentlich war sein Ziel klar. Er musste nochmals zu Miriam
Keller. Oder wollte er? Er hatte wenig Hoffnung, dass sie ihm die Wahrheit sagen
würde. Über die Ehefrauen ihrer Lover. Was sie denn nun wirklich gewusst
hatten. Er parkte wieder vor der Eisdiele. Es war nach acht, ein paar Kids mit
Rädern und Mofas lungerten vor der Kirche herum, eine Spitzpudeldachsmischung
grub ein Blumenbeet um und ignorierte Frauchens Rufe. Auch ein Fall für den
»Hundeprofi«.
Er läutete, ging hinauf und stand im Türrahmen. Sie war
ungeschminkt, trug wieder ihre Krempeljeans, ein langweiliges Ringel-T-Shirt
und ausgelatschte Flip-Flops. Und doch fand er sie so schön.
»Herr Kommissar! Sie schon wieder?«
»Ich bin es gewohnt, wenig Begeisterung auszulösen«, sagte Gerhard.
»Oh, das habe ich nicht impliziert. Kommen Sie herein.«
Gerhard folgte ihr wieder in die Küche, ein Laptop stand auf dem
Tisch. Sie klappte ihn zu.
»Kaffee? Cappuccino? Espresso?« Sie sah ihn an. »Oder doch lieber
wieder ein Weißbier? Ihre strenge Kollegin ist ja nicht dabei. Ich verrate auch
nicht, dass Sie im Dienst … Sie sind doch im Dienst?«
War er im Dienst? Eigentlich nicht. Er war im luftleeren Raum. Jedes
Mal wenn er diese Wohnung betrat – und das war ja erst das zweite Mal –,
passierte etwas mit ihm, was er nicht einordnen konnte.
»Vielleicht doch lieber Weißbier.« Er klang wie ein unentschlossener
Schulbub.
Sie werkelte ein wenig zwischen Kühlschrank und Anrichte und kam mit
einem Weißbierglas und einem Glas Weißwein wieder. Sie prostete ihm zu. »Zum
Wohl.«
Ein bisschen war er wohl doch im Dienst, denn Gerhard sagte nichts.
Er vertraute darauf, dass sein Schweigen Beklemmung auslösen würde. Er
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