Markttreiben
dass dieser Piet ihnen die Haare wusch.
Piet trug Jeans, die ziemlich knapp saßen, der Mann hatte
Oberschenkel, keine Steckerlbeine. Sein Safarihemd hatte er hochgerollt, und es
spannte über seinem Armmuskel. Er erzählte Jo gerade, dass er mal Rugby
gespielt hatte in der höchsten südafrikanischen Liga.
»Bist du eigentlich Engländer oder Bure?«, fragte Gerhard. »Piet und
Patterson? Rugby ist ja wohl eine urenglische Angelegenheit?«
Er prostete Gerhard zu. »Meine Familie ist englischstämmig.
Eigentlich heiße ich Pete. Aber als ich die Ranch gekauft habe, bestand schon
der Name Piets Ground. Und so wurde irgendwie aus Pete ein Piet. Piets Nest.
Meine zweite Lodge liegt etwas weiter den Berg rauf, Piets Hill. Die werdet ihr
noch kennenlernen.«
Das kam ihm alles so leicht über die Lippen. Der Engländer, aha.
Peter Paulus aus Peiting. Der Pete. Oder Piet. Ganz schön viele Ps im Spiel!
Gerhard prostete ihm zu.
»Du hast aber den Finger in die Wunde gelegt. Bis heute schwelt der
Hass zwischen den Holländern und uns.« Sein Blick verdunkelte sich. »Was für
ein Irrsinn. Mein Nachbar ist Bure, ich will ihm seit Jahren einen wertlosen
Streifen Land abkaufen. Habe ihm das Doppelte und Dreifache des Wertes geboten.
Ich bräuchte das Land, weil ich dann eine freie Durchfahrt zu meiner zweiten
Lodge hätte. Aber nein, er boykottiert mich, wegen dieser elenden Burenkriege.
Wegen der Vorfahren. Das ist so lange her. Südafrika ist ein modernes Land.«
Oh ja, so lange ist dein wahres Leben her, dachte Gerhard.
»Ist es ein modernes Land? Wie ist das mit den Schwarzen?
Unterdrückt ihr die immer noch?«, wollte die kleine Amerikanerin wissen, in
jenem amerikanischen Tonfall, in dem auch gefragt wurde, ob die Mauer denn noch
existiere.
»Schau«, sagte Helen und sah sehr ernst aus. »Ich komme aus
Simbabwe. Die Farm meines Großvaters und meines Vaters, meine Heimat, wurde von
Schwarzen gestürmt. Wir haben mit zehn Weißen und fünfzig Arbeitern ein
blühendes Land geschaffen. Wir haben Geld erwirtschaftet und unsere Arbeiter
gut bezahlt. Heute sind da zweitausend Schwarze auf dem Grund, das Vieh ist in
erbärmlichem Zustand. Alle hungern. Der Boden ist im Eimer.«
Schlagartig wurde Gerhard klar, wie wenig er wusste. Wie sehr er in
seine Fälle verstrickt war, das Tagesgeschäft, seine nächste Umgebung. Was
wusste er schon über andere Länder? Halbwissen aus der Zeitung, manchmal sah er
die »Tagesschau«. Er versank in seinem Pfaffenwinkel, er versank in Arbeit, wo
doch die Welt da draußen so groß war.
»Die Apartheid war ein Fehler, aber ihr dürft nicht vergessen, dass
viele der Schwarzen einfach anders leben. Von einem Tag auf den nächsten.
Unternehmerisches Denken ist nicht so ihres. Es ist auch keiner bereit, etwas
zu wagen und die Verantwortung zu tragen. Wir sehen das in Simbabwe.« Piet
lächelte Helen zu. »Die weißen Farmer trugen das unternehmerische Risiko, heute
wird nur ausgebeutet, das geht aber nicht gut. Landwirtschaft hat etwas mit
Wirtschaften zu tun. Mit Pflegen, mit Wissen. Ich ermögliche hier schwarzen
Jungs eine Ausbildung zum Guide. Wenn du ohne vernünftigen Schulabschluss in
Vaalwater so eine Chance bekommst, dann solltest du sie nutzen. Ich hab hier
Leute, die das nutzen. Wisst ihr: Wir reden Englisch und Afrikaans, wir
sprechen alle zwei einheimische Dialekte. Zeigt mir einen Schwarzen, der das
kann.«
Piet-Peter hatte die Stimme kaum gehoben, aber es ging etwas
Verführerisches von ihm aus. Er war so souverän. Und wieder musste Gerhard
zugeben, dass er gar nicht hätte dagegen argumentieren können. Selbst wenn er
gewollt hätte. Er wusste zu wenig, und es war sicher schwer, überhaupt mit Piet
zu diskutieren.
Die Gespräche gingen hin und her, Gerhard hörte mit halbem Ohr zu.
Ihm war das ganze Englisch zu anstrengend. Er beobachtete Piet. Einmal trafen
sich ihre Blicke. Wie Pfeile trafen sie sich.
Um elf löste sich die Gruppe auf. Sie wollten sehr früh raus, nein
mussten, denn morgen sollten die Gäste am Farmleben teilhaben dürfen und den Vet
bei der Arbeit beobachten. Gerhard war es zu peinlich, zu fragen, wer der Vet
sei. Außerdem hatte er noch eins verdrängt: Er würde mit Jo in einem Bett
schlafen müssen. Jo schien das weniger zu stören, sie hatte die Decke schon
hochgezogen und sagte nur noch: »Wenn du schnarchst, stirbst du. Gut Nacht,
Weinzirl.«
Wer schnarchte, war Jo. Leises Mädchenschnorcheln. Gerhard döste ein
und erwachte um fünf Uhr
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