Markttreiben
einen dieses Land und diese Arbeit so gefangen
nehmen?«, fragte Piet.
»Ja, da will man nicht mehr weg, oder?«
Er bekam keine Antwort – und wusste, dass sie ein gefährliches Spiel
spielten. Beide.
Die Liste, die Piet und Gerhard nach ihrem Eintreffen auf der Lodge
präsentierten, war beeindruckend.
»Wow, morgen reit ich mir dir!«, rief Jo, die zwar einige Antilopen,
aber keine Giraffen gezählt hatte.
»Morgen früh ist erst Paul nochmals dran. Morgen früh gilt es. Wir
müssen einen jungen Giraffenbullen darten. Den rechts, den du gesehen hast,
Gerhard, den goldenen. Ich nenn ihn immer ›Golden Boy‹.«
Piet entschuldigte sich, er hatte anderweitige Verpflichtungen,
Helen war die Gastgeberin des Abends, und sie kam neben Gerhard zu sitzen. Alles
drehte sich natürlich um die Tiere, um die Arbeit. Jo hatte sich verabschiedet,
weil sie todmüde war. Sie warf Gerhard eine Kusshand zu. Die Amis waren auch zu
Bett gegangen, die beiden Engländerinnen kippten einen Gin Tonic nach dem
anderen und unterhielten sich mit einer australischen Praktikantin, die heute
am Abendessen teilnahm. Gerhard lenkte das Gespräch auf Piet.
»Sag mal, Helen, ist er denn auch Biologe? Er weiß so viel!«
»Nein, Piet ist Farmer. Er hat den Grund vor fünfzehn Jahren dem
niederländischen Piet abgekauft. Damals gab es noch Getreide, Gemüse und Vieh.
Aber Piet hat schnell eingesehen, dass man mit Touristen besser verdient und
mit Ökologie. Diese Kombination, bedrohte Tierarten zu schützen und zu
erhalten, plus Tourismus hat Zukunft.«
»Wo war er denn vorher? In England?«
»Nein, er kam aus Botsuana. Hat da auf einer Farm gearbeitet, die
einem Schweizer gehört.«
»Ach echt! Ein Schweizer!«
»Ja, ein interessanter Mann. Wir waren mal drüben, vor etwa vier
Jahren. Bei Beat Zollikofer. Er hat uns erklärt, dass ›Beat‹ ein typischer
Schweizer Name ist. Er hat uns ein paar Worte auf Schwyzerdütsch gelehrt:
›grüezi‹ und ›Mischtkratzerli‹.« Helen lachte.
»Was?«
»›Mischtkratzerli‹, das sind Hennen, Hühner. Piet hat versucht,
unserer schwarzen Köchin Elena das beizubringen, dass ihre berühmten
Hühnerfleischgerichte eigentlich ›Mischtkratzerli‹ sind. Ich konnte das fast
nicht aussprechen, Elena schon gar nicht. Bloß bei Piet klang es ordentlich,
aber der kann ja auch Deutsch.«
»Ach!«
»Ja, mit Beat hat er Deutsch geredet; ich sag Piet immer, er soll
doch mit unseren deutschen Gästen Deutsch sprechen, Aber er sagt, er sei so aus
der Übung, das sei ja bloß Schuldeutsch. Das wär ihm zu peinlich. Männer! Wenn
sie was nicht perfekt beherrschen, lassen sie es lieber.« Helen lachte wieder
ihr helles Lachen.
»Seid ihr denn zusammen?«, fragte Gerhard.
»Nein, er ist mein Chef. Der beste, den man sich vorstellen kann.«
»Ich dachte bloß, ihr wärt doch ein schönes Paar. Hat er denn keine
Frau?«
Sie lachte. »Also mein Typ ist er nicht. Die meisten Frauen sind
ganz scharf auf ihn, er merkt das meistens gar nicht. Er war mal ‘ne Weile mit
der Kollegin von Paul zusammen. Die ist nun aber Dozentin an der Uni in
Pretoria. Irgendwie hat sich das auf die Distanz verlaufen.«
Gerhard verabschiedete sich kurz vor zwölf. Jo schnarchte wieder
leise. Er setzte sich vor das Haus, vergewisserte sich, dass alle im Bett
waren. Er zückte sein Handy, und Baier ging dran. Er ließ eine Tirade über sich
ergehen, dass er der sturste Lapp der Welt sei. Als Baier fertig war,
berichtete Gerhard und schloss: »Er ist es, ich bin sicher. Baier, können Sie
was über Beat Zollikofer rausfinden und über seinen ehemaligen Mitarbeiter
Peter Paulus alias Piet Patterson?«
Immer wieder waren Gesprächsfetzen untergegangen, das Netz war
extrem instabil. »Rufen Sie mich an, Baier«, sagte Gerhard noch. Dann war die
Verbindung unterbrochen.
Gerhard legte sich neben Jo. Da lagen sie nun wie ein altes Ehepaar.
Er, der Holzkopf, und sie, die »Drama Queen«. Wie oft hätte sie etwas dafür
gegeben, mit Gerhard in einem romantischen Bett unter afrikanischen Sternen zu
liegen. Wie oft hätte er etwas dafür gegeben, Jos Körper nahe zu sein. Das
Problem ihrer Beziehung war immer das Timing gewesen. Hatte sie ihn geliebt, war
ihm das unheimlich geworden. Hatte er linkische Annäherungsversuche gemacht,
hatte sich Jo gerade anderweitig orientiert. Er seufzte und schlief ein.
Am nächsten Morgen brannte die Luft! Gestern war Kasperletheater
gewesen, heute war Anspannung pur. Selbst Piet war ganz dicht am Limit.
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