Markttreiben
Das
spürte Gerhard. Erst mussten zwei Wasserbüffel raus, und das war schon »tough« . Sechs Fahrzeuge, Helfer, und der Heli landete. Paul
rannte geduckt zum Helikopter. Lässig klinkte er sich in die Gurte. Der Rotor
lärmte, der Staub verschleierte jede Sicht, alle stürzten auf ihre Fahrzeuge.
Der Fahrtwind war eisig, es war ein wolkenverhangenes Afrika heute in der Frühe
um sieben, und es war saukalt. Da war der Heli! Er kreiselte, er tauchte weg,
Paul hing aus der Kabine, schoss! Alles lief glatt, fast wie in Trance, nach
zwei Stunden waren beide Büffel auf dem Trailer. Heute hatte es zwanzig Mann
gebraucht, die Tiere hochzuwuchten. Gerhard hatte Piet in die Augen geblickt,
als sie sich gegenüberstanden und mit dem mächtigen Tier abmühten. Es war so
etwas wie Liebe in diesen Augen gelegen. Liebe für dieses Land.
Sie fuhren zurück zur Farm, eine kurze Teepause, sogar Paul schaute
nur noch konzentriert. Alle schwiegen, litten mit. Es war so wenig Zeit! Paul
musste Golden Boy darten und hatte dazu genau sieben Minuten Zeit. Das hatten
sie gestern gelernt. Die Gäste flankierten das Ganze zu Pferd. Der Heli kam so
halsbrecherisch herein, als würde er abschmieren; der goldene Giraffenbulle
rannte. Zweieinhalb Minuten, dann ging er nieder.
»Lasst den Hals nirgendwo aufschlagen«, flüsterte Jo. »Bitte!«
Das erste gewaltige Risiko war, dass die Giraffe unglücklich fiel.
Auch das hatten sie gestern gehört.
Golden Boy aber lag mitten im Gras, ab nun galt es. In lächerlichen
sieben Minuten mussten die Augen verbunden, ein Gegenmittel verabreicht, das
Tier in Seilen vertäut sein und dann wieder stehen. Sieben Minuten waren ein
Wimpernschlag! Jede Minute später konnte das Tier wegen seines speziellen
Stoffwechsels und des Herzens tot sein. Keiner redete mehr, bis zum Moment, wo
Piet rief: »Zieht!« Und wirklich: Der goldene Bulle wankte wacklig auf den
Trailer. Klappe zu, nur der Hals schaute raus. Ein Blick auf die Uhr:
sechseinhalb Minuten.
Die Mädels hatten ein paar Tränchen in den Augen. Piet haute Paul
erst auf die Schultern, dann eine Umarmung. Harte Männer ganz soft. Piet wandte
sich an die Runde.
»Danke, danke euch allen. Der Bursche geht jetzt auf seine Reise
nach Norden. Er kommt zu einem Kumpel von mir, der so was Ähnliches macht wie
ich. Golden Boy trifft da auf nette Damen.«
Piet wollte den Trailer begleiten, es war kurz vor elf. Sie alle
winkten dem Trailer nach und sanken dann ermattet in die Sessel auf der
Terrasse. Tee stand bereit, zwei Stunden dümpelten einfach so dahin. Um eins gab
es Lunch. Alle langten ordentlich zu. Genau genommen war das eine einzige
Schlemmerei. Gerhard hatte aber nicht das Gefühl, dass er zunehmen würde. Er
linste ab und zu auf sein Handy, kein Anruf von Baier, und er seinerseits hatte
mal wieder fast kein Netz. Es war immer noch ungewöhnlich kühl, Jo hatte sich
in zwei Decken eingeschlagen und auf eine der Poolliegen gelegt.
»Geht dein Handy?«, fragte Gerhard.
»Nein, ich wollte Volker vorhin ‘ne SMS schicken, die ging nicht raus. Fehlgeschlagen.«
Volker, Volker Reiber, klar, es war ja wohl normal, dass man seinem
Freund ab und zu ein Lebenszeichen zukommen ließ. Gerhard war sich gar nicht
sicher, dass Jo Reiber überhaupt gesagt hatte, dass sie mit ihm hier war.
Reiber als Kriminaler hätte den Braten sicher gerochen und ihn zur Rede
gestellt. Es war alles so schnell gegangen.
Jo hatte ihren Kopf zu ihm herübergestreckt und flüsterte: »Ist er
es? Hast du was rausfinden können? Er ist so ein toller Mensch, ich kann das
einfach nicht glauben.«
»Helen hat mir gestern erzählt, dass er auf einem Besuch in Botsuana
Deutsch mit einem Schweizer gesprochen hat.«
»Aber das ist doch kein Beweis!« Jo war wieder lauter geworden,
senkte dann aber erneut die Stimme. »Das reicht doch alles nicht. Was willst du
denn nun machen?«
Gerhard verkniff sich die Geschichte vom Federmäppchen, er wollte Jo
nicht in Gefahr bringen. »Ich werde ihn weiter beobachten, vielleicht macht er
einen Fehler. Ich hab Baier angerufen, dass der mal diesem Schweizer auf den
Zahn fühlt.«
So wie er neben Jo kauerte, wie sie da flüsterten, machten sie für
außen stehende Beobachter sicher den Eindruck eines verliebten Pärchens. Alles
war so irreal.
»Ich leg mich mal hin«, sagte Gerhard und gab Jo einen Kuss auf die
Wange. Ihm war danach. Ihm war auf einmal so melancholisch zumute. Er blätterte
in einem »Africa Geographic« und sah immer mal wieder
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