Mars 02 - Die Götter des Mars
sagen.«
Sie sah mich einige Minuten aufmerksam an, bevor sie etwas erwiderte. Es schien, als versuche sie mit diesem langen, prüfenden Blick in meinem Innern zu lesen, um meinen Charakter und meine Wertvorstellungen einzuschätzen.
Offenbar befriedigten sie die Resultate.
»Ich bin Phaidor, die Tochter von Matai Shang, dem Heiligen Hekkador der Heiligen Therns, dem Vater der Therns, Herr des Lebens und Todes auf Barsoom, Bruder von Issus, Prinzessin des Ewigen Lebens.«
In diesem Augenblick bemerkte ich, daß der Schwarze, den ich mit meiner Faust zu Boden gebracht hatte, kurz davor war, wieder zu sich zu kommen. Ich sprang zu ihm, entledigte ihn seiner Ausrüstung, band ihm die Hände fest auf dem Rücken und fesselte ihn an das Untergestell eines schweren Geschützes, nachdem ich seine Füße auf ähnliche Weise gebunden hatte.
»Warum nicht den einfacheren Weg?« fragte Phaidor.
»Ich verstehe nicht. Welchen ›einfacheren‹ Weg?« erwiderte ich.
Sie zuckte leicht die hübschen Schultern und vollführte mit den Händen eine Geste, als würfe sie etwas über Bord.
»Ich bin kein Mörder, sondern töte nur in Notwehr«, sagte ich.
Sie musterte mich eingehend, runzelte die göttlichen Brauen und schüttelte den Kopf. Das ging offensichtlich über ihr Vorstellungsvermögen hinaus.
Genauso wenig war meine Dejah Thoris in der Lage gewesen, unseren ihr dumm und gefährlich erscheinenden Umgang mit Feinden zu verstehen. Auf Barsoom gewährt man weder Gnade, ebensowenig wird sie einem gewährt. Jeder Tote bedeutet, daß es für die anderen mehr von den schwindenden Ressourcen dieses untergehenden Planeten aufzuteilen gibt.
Doch hier schien es einen kleinen Unterschied zu geben, in der Art, in der das Mädchen die Vernichtung eines Feindes sah, und dem mitfühlenden Bedauern, das meine Prinzessin gegenüber dieser bitteren Notwendigkeit empfand.
Ich denke, Phaidor ging es mehr um die Spannung, die ihr das Schauspiel geboten hätte, als um den Fakt, daß wegen meiner Entscheidung ein Feind am Leben blieb, der uns zu einer Bedrohung werden konnte.
Der Mann war nun wieder voll bei Bewußtsein und musterte uns aufmerksam von Deck aus, wo er gefesselt dalag. Er war ansehnlich und kräftig, mit wohlgeformten Gliedmaßen, einem intelligenten, feingemeißelten Gesicht, dessen erlesene Züge sogar Adonis vor Neid zum Erblassen gebracht hätten.
Das Luftschiff war führerlos langsam über das Tal gedriftet, doch nun dachte ich, daß es an der Zeit war, das Steuer zu übernehmen und den Kurs zu bestimmen. Ich konnte nur ungefähr sagen, in welchem Teil vom Mars das Tal Dor lag: Weit südlich vom Äquator. Das wurde am Stand der Sterne deutlich. Doch reichten meine astronomischen Kenntnisse vom Mars nur für eine grobe Schätzung, ohne die genauen Karten und empfindlichen Instrumente, mit denen ich als Offizier der Luftwaffe von Helium früher die Positionen der von mir geführten Luftschiffe hatte genau bestimmen können.
Da ein nördlicher Kurs mich am ehesten in die dichter besiedelten Gebiete des Planeten bringen würde, entschied ich mich für diese Richtung. Anmutig schwang der Richtungsanzeiger unter meiner Hand herum. Ein Druck auf den Knopf, der die Antriebsstrahlen steuert, beförderte uns nach oben in die Lüfte.
Den Schalthebel für die Geschwindigkeit am Anschlag, rasten wir gen Norden und erhoben uns immer weiter über das schreckliche Tal des Todes.
Als wir in schwindelerregender Höhe über dem schmalen Landstrich der Therns hinwegflogen, legte das Aufblitzen von Explosionen weit unter uns auf stumme Weise von der unbändigen Schlacht Zeugnis ab, die entlang der grausamen Grenze noch immer tobte. Kein Laut war von unten zu vernehmen, denn bis in diese Schicht der Atmosphäre drang kein Geräusch durch, alles wurde bereits von der dünnen Luftschicht unter uns zerstreut.
Es wurde schrecklich kalt, und das Atmen wurde immer schwerer. Das Mädchen, Phaidor, und der schwarze Pirat blickten mich unablässig an. Schließlich sprach das Mädchen.
»In dieser Höhe kommt die Bewußtlosigkeit schnell. Wenn ihr uns nicht alle umbringen wollt, müßt ihr hinuntergehen, und zwar schnell«, sagte sie ruhig.
In ihrer Stimme war keine Furcht. Es war, als sagte jemand: »Du solltest besser einen Schirm mitnehmen. Es wird regnen.«
Ich ging schnell tiefer, und das nicht zu früh. Das Mädchen war bereits ohnmächtig geworden.
Auch der Schwarze war bewußtlos, während ich meine Sinne nur dank schieren Willens
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