Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Exekutivrates bisher gut, wenn nicht sogar spielerisch organisiert worden. Wenn diese Kompetenz das war, was in einem Matriarchat wie Dorsa Brevia aufwuchs, dachte Nadia, dann sollte man ihm mehr Macht geben. Sie konnte nicht umhin, Charlotte mit Maya zu vergleichen mit all deren Stimmungsumschwüngen, ihrer Angst und Selbstdramatisierung. Nun, das war wohl in jeder Kultur eine Sache des Individuums. Aber es dürfte interessant sein, mehr Frauen von Dorsa Brevia bei sich zu haben, um diese Aufgaben in Angriff zu nehmen.
Bei dem Treffen am nächsten Morgen stand Nadia auf und sagte: »Eine Anordnung gegen Wasserdumping in Marineris ist bereits ergangen. Wenn ihr auf dem Dumping beharrt, werden die neuen Polizeikräfte der globalen Gemeinschaft eingesetzt werden. Ich nehme nicht an, daß irgendwer das wünscht.«
»Ich denke nicht, daß du für den Exekutivrat sprechen kannst«, erwiderte Jackie.
»O doch«, sagte Nadia knapp.
»Nein, das kannst du nicht!« sagte Jackie. »Du bist nur eine von sieben. Und dies ist nun mal keine Sache des Rates.«
»Das wird sich zeigen«, entgegnete Nadia.
Die Versammlung zog sich hin. Die Cairener trieben Obstruktion. Je mehr Nadia begriff, was sie taten, desto mehr brachte sie das auf. Ihre Führer spielten für den Freien Mars eine Rolle. Und selbst wenn diese Herausforderung versagte, könnte es auf anderen Gebieten zu Konzessionen an den Freien Mars kommen. Dadurch würde diese Partei mehr Macht gewonnen haben. Charlotte stimmte zu, daß dies ihr letztes Motiv sein könnte. Der darin liegende Zynismus widerte Nadia an; und sie fand es sehr schwer, Jackie höflich zu* begegnen, wenn diese mit ihrer leichten Heiterkeit zu ihr sprach, die schwangere Königin unter ihren Schranzen wie ein Schlachtschiff zwischen Ruderbooten. »Tante Nadia, es tut mir so leid, daß du glaubtest, dir für so etwas Zeit nehmen zu müssen... «
An diesem Abend sagte Nadia zu Charlotte: »Ich hätte gern eine Anordnung, wonach der Freie Mars überhaupt nichts bekommt.«
Charlotte lachte kurz. »Hast du mit Jackie gesprochen?«
»Ja. Warum ist sie so beliebt? Ich verstehe das nicht, aber sie ist es.«
»Sie ist zu vielen Leuten nett. Sie glaubt, zu allen Leuten nett zu sein.«
»Sie erinnert mich an Phyllis«, sagte Nadia. »Wieder die Ersten Hundert... Vielleicht auch nicht. Jedenfalls, gibt es nicht irgendeine Art von Strafe, die wir gegen frivole Prozesse und Herausforderungen verhängen können?«
»In manchen Fällen Gerichtskosten.«
»Sieh also zu, ob du ihnen die auferlegen kannst!«
»Erst wollen wir sehen, ob wir überhaupt gewinnen.«
Die Versammlungen gingen noch eine Woche lang weiter. Nadia überließ das Reden Charlotte und Art. Sie sah währenddessen aus dem Fenster hinunter in den Canyon und rieb sich den Stumpf ihres Fingers, der jetzt schon einen merklichen Buckel aufwies. Es war merkwürdig. Obwohl sie genau darauf achtete, konnte sie sich nicht entsinnen, wann der Buckel zu erscheinen begonnen hatte. Er war warm und rosig, ein zartes Rosa wie die Lippen eines Kindes. In der Mitte schien sich ein Knochen zu befinden. Sie scheute sich, ihn zu fest zu drücken. Sicher kniffen Hummer nicht in ihre nachwachsenden Gliedmaßen. Diese ganze Zellerzeugung war lästig wie ein Krebsgeschwür, nur kontrolliert und gezielt. Das Wunder der steuernden Fähigkeiten der DNS wurde darin manifestiert. Leben selbst, blühend in all seiner sich offenbarenden Komplexität. Und ein kleiner Finger war nichts, verglichen mit einem Auge oder einem Embryo. Es war schon seltsam.
Die politischen Versammlungen wurden immer schlimmer. Nadia verließ eine von ihnen und hatte nicht mitgekriegt, worum es überhaupt gegangen war, sicher, daß es sich um nichts Bedeutendes gehandelt hatte. Und sie machte einen langen Spaziergang hinaus zu einem Ausguck am westlichen Ende der Kuppelmauer. Sie rief Sax an. Die vier Reisenden näherten sich dem Mars nun immer mehr. Die Verzögerungen durch den Signallauf betrugen nur noch wenige Minuten. Nirgal schien wieder gesund zu sein. Er war guter Dinge. Michel sah tatsächlich erschöpfter aus als Nirgal. Es schien, als ob ihn der Besuch auf der Erde sehr mitgenommen hätte. Nadia hielt ihren Finger an den Schirm, um ihn aufzuheitern, und das wirkte.
»Ein kleiner Roter, oder?«
»Das nehme ich an.«
»Du scheinst nicht zu glauben, daß es funktionieren wird.«
»Nein. Wohl nicht.«
»Ich denke, wir leben in einer Übergangsperiode«, sagte Michel. »In unserem
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