Marschfeuer - Kriminalroman
ihr eine
Schafkarte«, fauchte Charlotte und blickte auf den Spielplan auf dem
Esszimmertisch. »Krümel hat schon neun Punkte.«
»Seh ich selbst.« Lyn
wandte sich an Sophie. »Tut mir ja leid für deine Geschäfte, Krümelchen. Beim
Spielen kenn ich keine Freunde.« Sie griff nach den Würfeln.
»Wenn Mama jetzt eine
Sechs würfelt, hat sie gewonnen«, motzte Sophie ihre Schwester an. »Dann kriegt
sie nämlich zweimal Getreide und kann eine Stadt bauen. Da hättest du’s auch
ruhig mir mal gönnen können. Mama gewinnt fast immer.«
»Lieber Mama als du.«
Sophie hob den
Mittelfinger, während sie auf die kullernden Würfel achtete. Ihr »Scheiße!« kam
synchron mit dem Stillstand der Würfel.
»I am
the Champion of the world«, sang Lyn den leicht abgewandelten Queen-Song, hob ihr Rotweinglas und
prostete den Mädchen zu. »Auf die elenden Verlierer.«
»Boah, ich spiel nie
wieder mit euch ›Siedler‹.« Sophie pfefferte ihre Karten auf den Tisch.
»Das sagst du jedes
Mal«, kommentierte Charlotte. »Das hast du von Papa geerbt. Der kann auch nicht
verlieren.«
»Oh!« Sophie starrte
schuldbewusst zu ihrer Schwester. »Das hab ich ganz vergessen. Papa hat vorhin
angerufen, als du einkaufen warst. Du sollst ihn unbedingt zurückrufen.
Irgendwas wegen deinem Geburtstag. Er wollt’s mir nicht verraten.«
»Schön, dass es dir so
früh einfällt«, fauchte Charlotte und sprang auf, »jetzt schlafen sie
vielleicht schon.«
»Es ist Viertel nach
neun«, sagte Lyn mit Blick auf ihre Armbanduhr, »da fängt für deinen Vater der
Abend erst an. Ruf einfach an.«
»Ich telefoniere oben
mit ihm«, sagte Charlotte, ihrer Schwester noch einen missbilligenden Blick
zuwerfend.
»Und du weißt wirklich
nicht, worum es ging?« Die Frage konnte Lyn sich nicht verkneifen, als
Charlotte das Zimmer verlassen hatte.
Sophie zuckte die
Schultern. »Nö. Wollt er mir nicht verraten. Ist bestimmt wegen dem Geschenk.
Lotte hat sich doch von Papa ein Fahrrad gewünscht.«
»Den Zahn hab ich ihr
gezogen. Ihr Drahtesel ist so gut wie neu. Und bloß weil Madame die Farbe nicht
mehr passt, gibt es kein neues. Und das habe ich auch eurem Vater mitgeteilt.«
Sophie schwieg. Mit dem
Finger fuhr sie um das Spielfeld. »Miriam ist ja noch jung, oder?« Sie blickte
kurz zu Lyn, bevor sie mit ihrer Bewegung fortfuhr.
»Ja-a.«
»Glaubst du, dass Papa
und sie … also ich meine … ob Miriam irgendwann ein Baby bekommt? Bin ich dann
trotzdem die Schwester? Doch nicht so richtig eigentlich, oder?«
Irgendetwas Fieses
piekte Lyn in der Magengegend. Sie stand auf und begann, das Spiel einzupacken.
»Klar könnten sie noch ein Baby bekommen«, sagte sie leichthin, obwohl die
Worte wie Betonklötze auf ihrer Zunge lagen. »Wenn es so wäre, hättest du einen
Halbbruder oder eine Halbschwester.«
»Hmm …«
Lyn sortierte die Karten
ein. »Hat Papa denn … ich meine … ist sie etwa …?«
Sophie beeilte sich, den
Verdacht zu entkräften. »Nein. Der will das doch bestimmt auch nicht, oder? Er
hat doch schon Lotte und mich, oder?«
»Ich kann nichts dazu
sagen, Krümel. Das ist eine Sache zwischen deinem Vater und Miriam.«
Schnelles Fußgetrappel
auf der Treppe verriet, dass das Telefonat beendet war.
»Überraschung!«, rief
Charlotte und ließ sich, von einem Ohr zum anderen strahlend, auf ihren Stuhl
fallen.
Lyns Knie wurden weich.
»Sie ist schwanger.«
Charlotte starrte ihre
Mutter an. »Wer?«
»Miriam. Die
Überraschung.«
»Hä? Spinnst du?«
Charlotte tippte sich gegen die Stirn. »Die Überraschung ist: Papa und Miriam
kommen zu meinem Geburtstag. Hierher, nach Wewelsfleth. Ist das nicht toll?
Papa hat sich extra Urlaub genommen. Er möchte endlich sehen, wohin Mama uns
verschleppt hat.« Die letzten Worte hatten ihrer Schwester gegolten.
Lyn war sich sicher,
dass es genau die Worte waren, die Bernd Hollwinkel gewählt hatte.
»Wow! Das … das ist
jetzt wirklich eine Überraschung«, stammelte sie.
»Sie werden nachmittags
hier sein«, erzählte Charlotte aufgeregt. »Dann trinken wir Kaffee, und abends
gehen wir alle gemeinsam zum Maifeuer. Das machen die hier in Wewelsfleth jedes
Jahr am 30. April. Hat Jana mir erzählt. Ist das okay, Mama?«
Lyn blickte in die
strahlenden Gesichter ihrer Töchter. »Ja, klar. Ich freu mich für euch,
wirklich.«
Das stimmte. Sie freute
sich für die beiden. Zuletzt hatten sie ihren Vater in den Weihnachtsferien in
Bamberg gesehen. Ihre eigenen Gefühle zu analysieren,
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