Marschfeuer - Kriminalroman
Genüsslich schaute er in die Gesichter um ihn herum. »Hinrich Jacobsen
ist der Tote in der Gartenlaube. Es sei denn, die Zahnbürste, die die SG 1-Leute mir gebracht haben, gehört nicht Jacobsen, sondern Pankratz. Und
ich gehe mal ganz verwegen davon aus, dass sich dessen Zahnbürste nicht im
Badezimmer von Frau Jacobsen befunden hat.«
Das einzige Geräusch,
das im Besprechungszimmer zu hören war, war das Heulen des Windes vor den
Fenstern.
Lyn fand als Erste ihre
Sprache wieder. »Das ist unmöglich, Doktor.«
»Warum?« Er sah sie
herausfordernd an.
»Weil Hinrich Jacobsen
noch gelebt hat, als die Hütte Donnerstagnacht mitsamt der Leiche angesteckt
wurde. Er hat zu diesem Zeitpunkt im Bett neben seiner Frau gelegen. Er ist am
Freitagmorgen aufgestanden, hat Kaffee gekocht, den Frühstückstisch gedeckt und
dann das Haus verlassen, um die Brötchen zu holen.«
Dr. Helbing schüttelte den Kopf. »Nein. Das
hat er nicht. Er war am Freitagmorgen ein nach verbranntem Fleisch stinkender
Knochenhaufen.« Er faltete die Hände vor seinem Unterleib. »Die gute Frau
Jacobsen hat gelogen.«
»Wir sollten Thomas
Martens informieren«, sagte Lyn, »die Neuigkeit wird ihn umhauen.« Sie selbst
fühlte sich noch wie benommen. Hühner-Waldi war gar nicht Hühner-Waldi!
»Ich schätze, das wird
Karin auf dem Rückweg erledigen«, meinte Lukas Salamand. »Sie begleitet Helbing
nach unten.«
Die Hauptkommissarin
betrat zwei Minuten später tatsächlich den Raum in Begleitung des Kollegen vom
Sachgebiet1.
»Suchen Sie sich einen
Platz«, forderte sie Thomas Martens auf und deutete in die Runde. »Es gibt wohl
einiges zu besprechen, bevor wir Frau Jacobsen über den neuen Sachverhalt
informieren.«
Lyn schnaubte leise
durch die Nase. Sie störte sich an Karin Schäfers Wortwahl. Über den
Sachverhalt informieren! Das klang so … emotionslos. Nun, Karin hatte die alte
Frau Jacobsen auch nicht kennengelernt. Nicht deren große Verzweiflung gesehen.
Lyn wusste nicht, was sie denken sollte. Die DNA -Analyse
war eindeutig. Hinrich Jacobsen konnte nicht neben seiner Frau im Bett gelegen
oder Kaffee gekocht haben. Aber war Margarethe Jacobsen eine so geniale
Lügnerin? War ihre Verzweiflung unecht gewesen?
»Moin erst mal«, holte
Thomas Martens Lyn aus ihren Gedanken. Er nickte in die Runde und griff sich
einen Stuhl, der an der Wand stand.
»Rück mal ‘n Stück, Kollege«,
forderte er Hendrik flapsig auf und schob den Stuhl zwischen Hendrik und Lyn.
»Das sind ja mal
Neuigkeiten, was?«, sprach er Lyn an, während er einen Ordner vor sich auf den
Tisch legte. »Hinrich Jacobsen« stand auf dem Deckel.
»Ja. Den Fall sind Sie
los«, antwortete Lyn mit einem schiefen Lächeln. »Aus der leichenfreien
Vermisstensache ist ein Mord geworden.«
»Und was für einer!«,
sagte Hendrik. »Da hat sich jemand viel Mühe gemacht, um den toten Jacobsen zu
entsorgen. Alle sollten glauben, dass es sich um Waldemar Pankratz handelt.«
»Jemand mit viel Liebe
zum Detail«, gab Thilo Steenbuck ihm recht. Er blätterte in der Akte
»Hühner-Waldi« und fand schließlich, was er suchte. Er nahm den
Obduktionsbericht aus dem Ordner und überflog ihn. »Hier steht es schwarz auf
weiß: Dem Brandopfer fehlte im Oberkiefer ein Schneidezahn, im Unterkiefer ein
Eckzahn.« Er blickte hoch. »Der Täter muss Hühner-Waldi gut kennen. Er hat das
Gebiss von Jacobsen genau so präpariert.«
Lyn konnte ein Schütteln
nicht unterdrücken. »Mein Gott … wie viel Kaltblütigkeit gehört dazu, um das zu
tun?«
Karin stand nach wie vor
am Besprechungszimmertisch. Sie hatte beide Hände auf die Platte gestützt. »Da
tun sich einige Fragen auf. Unter anderem: Wo steckt Waldemar Pankratz?«
»Das erfahren wir wohl
zwangsläufig, wenn wir den Mörder Jacobsens haben«, sagte Jochen Berthold
ruhig. »Und den zu finden ist jetzt oberste Priorität. Knöpfen wir uns Frau
Jacobsen vor und fragen sie, wie sie behaupten kann, sie hätte ihren Mann neben
sich liegen sehen.«
»Äh … Moment«, lenkte
Thomas Martens die Aufmerksamkeit der Mordkommission auf sich, »so kann man das
nicht sagen.« Er suchte ein Schriftstück aus der mitgebrachten Vermissten-Akte
heraus.
»Hier!« Er tippte auf
das Befragungsprotokoll von Margarethe Jacobsen. »Frau Jacobsen hat nicht
behauptet, dass sie ihren Mann neben sich hat liegen sehen. Sie hat zu
Protokoll gegeben, dass er bereits aufgestanden war, als sie aufwachte.«
»Wortklauberei«, wischte
Jochen Berthold den
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