Marsha Mellow
Julie. Selbstverständlich hat sie kein einziges Wort verpasst - bloß gut, dass Mary die meiste Zeit gesprochen hat, sodass Julie nur ein paar Fetzen aufschnappen konnte.
»Für niemanden«, antworte ich. »Das klingt aber nicht nach einem Niemand.«
»Stimmt aber. Bloß für... äh... meinen Berater von der Bank. Ich will meine Hypothek erhöhen.«
»Das habe ich auch mal versucht«, meint sie daraufhin. »Damals musste ich zur Bank, weil ich mein Konto überzogen hatte, und ich habe ein bauchfreies Top und Hotpants angezogen. Hat leider nicht funktioniert. Die Mistkerle haben trotzdem meine EC-Karte einbehalten. Aber einen Versuch ist es wert. Ich würde dir allein für diese Titten hundert Riesen zahlen.«
Daraufhin fängt sie an zu kichern, ohne die leiseste Ahnung zu haben, wie dicht sie an der Wahrheit dran ist.
»Hi, Ant«, rufe ich, als ich meine Wohnung betrete. »Tut mir Leid, dass ich nicht zurückgerufen habe, aber ich hatte heute keine einzige freie Minute. Der Tag hatte es echt in sich. Ich muss dir unbedingt was erzählen ... Ant? ... Ant!«
Mein Blick fällt auf den Brief auf dem Tisch. Selbst aus dieser Entfernung ist er zu lang, um sich als eine »Bin nur kurz Milch holen«-Nachricht zu entpuppen. Nervös nehme ich ihn in die Hand.
Amy,
wenn du das liest, sitze ich bereits im Flieger. Tut mir Leid, dass ich so überstürzt aufbreche, aber ich habe versucht, dir telefonisch Bescheid zu geben. Der Grund: Ich habe eine Entscheidung getroffen. Heute Morgen hat Alex mich angerufen. Bei ihm war es vier Uhr morgens. Wenn das mal nicht von Leidenschaft zeugt! Er hat mir verziehen. Verlangt nicht einmal mehr, dass ich zu den Anonymen Sexoholikern oder wie dieser Scheißverein heißt gehe. Wir haben eine ganze Stunde lang telefoniert. Es war fantastisch. Er ist fantastisch. Keine Ahnung, was ich jemals an Frankie gefunden habe. Vielen Dank für deinen Beistand. Es war sehr schön bei dir. Das hat mir wieder vor Augen geführt, dass es keine besseren Freunde gibt ah die, die man aus der Grundschulzeit kennt. Wir dürfen den Kontakt unter keinen Umständen wieder schleifen lassen. Komm einfach nach New York. Jederzeit. Jetzt kannst du dich ja nicht mehr mit einem lauen »Kann ich mir nicht leisten« herausreden. Ich kann es immer noch nicht fassen, was aus dir geworden ist! Eine berühmte XY! (Möchte das Wort nicht schreiben, für den Fall, dass der Brief in falsche Hände gelangt.) Auch wenn du im Moment noch zweifelst, das wird sich wieder legen. Eines Tages wirst du aufwachen und erkennen, dass die ganze Geschichte das Unglaublichste ist, was du jemals vollbracht hast. Das Taxi ist da. Ich rufe dich an, sobald Al und ich den Kusspart bei unserer Versöhnung hinter uns gebracht haben - was etwas dauern könnte.
Ich hab dich lieb.
Ant
Mir ist zum Heulen zumute. Jetzt, da ich Ant dringend brauche, sitzt er in dem verdammten Flieger... wo er wahrscheinlich gerade innerlich gelobt, Alex von nun an für immer treu zu sein, und dabei - ich kenn ja meinen Pappenheimer - gleichzeitig den Steward genüsslich in Augenschein nimmt. Ich lasse mich auf das Sofa plumpsen und zünde mir eine Zigarette an. Ich habe Schiss vor dem Treffen morgen. Ich schließe die Augen und stelle mir vor, wie Jake und Jacobson mich sabbernd umkreisen. Mensch, warum ist mir das nicht schon vorher aufgefallen? Sogar ihre Namen klingen ähnlich ... Als hätten sie sich miteinander verbündet.
Ich fange schon an zu spinnen. Ich sollte besser mit Vernunft an die Sache herangehen. Mir kommt es vor, als hätte ich keine andere Wahl, als das Treffen mit Jacobson hinter mich zu bringen. Mary hat gesagt, ich würde es mir anderenfalls nie verzeihen, aber im Grunde glaube ich, dass sie es mir nie verzeihen würde. Na schön, das pack ich schon. Ich gehe einfach rein, gebe ihm kurz die Hand, hör mir seinen Schmu an und gehe wieder. Das kriege ich schon hin. Und ich werde mein weitestes Kleid anziehen - eines, das Mum (zumindest bevor aus ihr eine Edwina-Currie-Kopie geworden ist) bestimmt gefallen hätte.
Aber was ist mit Jake? Meine Taktik, mir Lewis durch das Telefonat vom Leib zu halten, ist aufgegangen. Danach hat er sich nämlich für den Rest des Tages in seinem Büro verschanzt. Nichtsdestotrotz drängt sich mir unweigerlich der Verdacht auf, dass es ein einfaches »Nein, danke, Lewis, ich halte das mit dem Abendessen für keine gute Idee« ebenfalls getan hätte - mit dem zusätzlichen Vorteil, dass ich mich nicht ausgerechnet
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