Marsha Mellow
das ja hilfreich gewesen.«
»Ich wollte ja, aber ich hatte Schiss.«
»Schiss? Du hast Schiss, ein Hetero zu sein? Solltest du nicht eher Schiss haben, dich als schwul zu outen?«
»Ich bin schwul. Genau das ist ja mein Problem. Ich als überzeugter Schwuler finde Bisexuelle nämlich... nun ja... raffgierig. Ein dummes Vorurteil, ich weiß, aber ich dachte, das ist jetzt nur so ein Spleen bei vielen - eine Art Trend -, und dass sich viele nur einreden, bisexuell zu sein. Und nun sieh mich an.«
»Du darfst deine Gefühle nicht unterdrücken. Wenn du in Frankie verliebt bist, warum gibst du es dann nicht zu?«
»Ich bin nicht in sie verliebt. Dessen bin ich mir mittlerweile ziemlich sicher. Ich kann sie zwar gut leiden, aber ich könnte mich nie in sie verlieben. Das ist mir klar geworden, nachdem wir es miteinander getrieben haben.«
»Aber das geht doch schon ein paar Monate mit euch.«
»Ja, aber gestern Abend haben wir zum ersten Mal miteinander gevögelt. Davor konnte ich mich nicht dazu überwinden. Himmel, was habe ich mir nicht alles für Ausreden einfallen lassen - ich hatte schlimmer Migräne als die Tussi in der SPALT-Werbung. Wie auch immer, ich bin schließlich doch über meinen Schatten gesprungen und fand es nicht so berauschend. Ich musste sogar das Licht ausmachen, um mir vorstellen zu können, dass sie einen Schwanz hat. Und dann die Geräuschkulisse. Ihr Frauen müsst immer gleich so schreien.«
»Das gilt aber nicht für alle«, widerspreche ich erbost. »Das muss an New York liegen.«
Ich bin jedenfalls alles andere als ein Schreihals. Wenn ich einen Orgasmus habe, kann man eine Stecknadel fallen hören - obwohl das zugegebenermaßen schon so lange zurückliegt, dass ich mich nur mit Mühe erinnere. (Da kommt mir ein Gedanke. An diesem Punkt in ihrem Leben war Donna bereits mit rund hundert Männern im Bett... Wenn das mal nicht erst recht deprimierend ist.)
»Wie auch immer«, meint Ant. »Die ganze Zeit habe ich gedacht, dass sie mich total antörnt, und ... Es war pure Neugier. Nichts als Neugier.«
»Und was hast du jetzt vor?«
»Vermutlich mit ihr Schluss machen.«
»Irgendwie tut sie mir Leid. Sie scheint es nämlich ziemlich erwischt zu haben. Wie willst du ihr das beibringen?«
»Indem ich sage, wie es ist.«
»Dass du in einer festen Beziehung bist?«
»Das weiß sie. Nein, dass ich schwul bin. Sie denkt, Alex ist ein Model für Damenunterwäsche.«
KAPITEL 19
Gerade einmal zwei Tage in New York, und ich fühle mich wie neugeboren. Na schön, das ist leicht übertrieben. Aber es kommt mir vor, als wäre mein altes Ich mit Dampf gereinigt, gebohnert und generalüberholt worden. Ich habe Ants Rat beherzigt und alles hinter mir gelassen, was einem in dieser Stadt nicht besonders schwer fällt. Obwohl man alles aus unzähligen Filmen kennt, will man dennoch seinen Augen nicht trauen. Eben typisch ... New York.
Inzwischen war ich oben auf dem Empire State Building (wo ich vor lauter Smog nichts erkennen konnte), habe eine Bootsfahrt um die Freiheitsstatue mitgemacht (bei der sich meine Seekrankheit nur leicht bemerkbar machte) und habe mir mit ehrfürchtigem Staunen den Krater zwischen den Wolkenkratzern angesehen, wo einst die Twin Towers standen. Und ich habe meine Angst überwunden, Opfer eines Bandenkriegs/eines Raubüberfalls/irgendeiner anderen Gewalttat zu werden, und bin bei Abenddämmerung durch den Central Park spaziert, ohne dass sich mein Puls merklich erhöht hat.
Aber ich habe nicht nur die Touristenattraktionen abgeklappert. So habe ich etwas entdeckt, das in keinem Reiseführer erwähnt wird - nämlich die einzige Kneipe in Manhattan, in der das Rauchen noch erlaubt ist. Allerdings hatte ich Schwierigkeiten, sie zu finden, und als ich einen Polizisten nach dem Weg fragte, sah der mich an, als hätte ich nach der nächsten Klapsmühle gefragt. Die haben hier eine krasse Einstellung Rauchern gegenüber. Ich spiele bereits mit dem Gedanken, es sein zu lassen. Und zwar nicht, weil überall Rauchverbot herrscht, sondern weil mich besagte Kneipe abschreckt. Offenbar ein Zufluchtsort für sämtliche Nikotinabhängige Amerikas, die dort scharenweise einfallen und Asyl suchen. Bereits nach dem ersten Bier tränten mir die Augen, und hinterher war mein weißes Oberteil gelber als der Filter meiner Zigaretten.
Ich war auch shoppen. Im Gegensatz zu Lisa verfalle ich zwar selten in einen Kaufrausch, aber wenn man schon nach New York fliegt, muss man auch durch die
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