Marter: Thriller (German Edition)

Opfer gefallen?
    Hm … Wie viel wissen Sie über Orte wie das Café Sonja?
    Noch sehr wenig. Soweit wir wissen, handelt es sich bei diesen Orten um Vergewaltigungslager.
    Exakt. Diese Vergewaltigungen dienten diversen Zwecken. Zunächst sollten sie selbstverständlich die Bevölkerung einschüchtern und demoralisieren. Sie ließen die Soldaten verrohen, sodass deren Vorgesetzte es in der Folge leichter hatten, ihnen noch grausamere Gewalttaten zu befehlen. Doch sie dienten darüber hinaus noch einem weiteren Zweck, der tatsächlich darin bestand, die Frauen zu schwängern. Dass keinerlei Verhütungsmittel zur Verfügung standen, war durchaus Berechnung. Man machte diese Frauen zu Zuchtmaschinen für ihre Peiniger, um das Land mit Kindern zu bevölkern, die die ethnische Abstammung der Siegerpartei besaßen. Die Abstammung der Mutter wurde hierbei als nicht so entscheidend wie die des Vaters betrachtet. Auf diese Weise wurden die Themen Rasse und Religion zu noch umstritteneren Brennpunkten, als das ohnehin schon der Fall war.
    Nun schrieb Kat:
    Was wäre, wenn wir Ihnen sagen würden, dass diese Taktik geplant war, und zwar bereits vor Beginn des Bosnienkrieges? Und dass außerdem eine Handvoll NATO -Offiziere ihre Finger im Spiel hatten, neben einem privaten Militärdienstleister, der in Verbindung zur US -Regierung steht?
    Dann würde ich Sie bitten, mir Beweise vorzulegen. Genau das hat uns immer gefehlt – ein stichhaltiger Beweis, dass mehr hinter der Sache steckte als gewöhnliche Kriegsgrausamkeiten. Etwa vor einem Monat glaubte Barbara, endlich den »roten Faden« gefunden zu haben, wie sie das nannte. Sie hatte eine beeidete schriftliche Erklärung einer Bosnierin namens Soraya Kova č evi ć , die als Gefangene im Lager Birds’ Nest war. Soraya gab an, bei einem ihrer Vergewaltiger habe es sich um einen Amerikaner gehandelt, einen Angestellten eines Militärdienstleisters, der den kroatischen Milizen beratend zur Seite stand. Selbst nach all der Zeit konnte sie ihn immer noch identifizieren. Für uns ist das der perfekte Präzedenzfall – wenn wir stichhaltige Beweise dafür liefern, haben wir jeden einzelnen Schritt eines dieser Kriegsverbrechen, von der Planung bis zur Befehlserteilung, zurückgeführt auf Vertreter der US -Regierung.
    Was brauchen Sie, damit die erhobenen Vorwürfe Bestand haben?
    Die beeidete Aussage von Soraya Kova č evi ć , zusammen mit einer gültigen Dokumentation der Beweiskette, damit die Authentizität außer Frage steht. Einige Landkarten und Fotos aus der Gegend wären ein weiterer Pluspunkt. Doch am dringendsten benötigen wir einen unwiderlegbaren Beweis in Form von DNA , damit kein Zweifel mehr besteht, dass der Amerikaner der Vater von Sorayas Kind ist.
    »Mit anderen Worten«, sagte Holly nun laut, »wir müssen nicht nur die Mutter aufspüren, sondern auch da weitermachen, wo für Barbara Holton und Jelena Babi ć Schluss war, und die Tochter ausfindig machen.«
    Wo sollen wir anfangen?
    Jelenas Beweise sollten uns weiterhelfen. Sie machte das Lager namens Birds’ Nest in der Krajina ausfindig, in der Nähe einer Kleinstadt mit Namen Brezic. Ich sollte Sie wohl darauf hinweisen, dass wir leider ziemlich unter Zeitdruck stehen. Der Prozess gegen Korovik beginnt in weniger als zwei Wochen, und im Rahmen der vollständigen Offenlegungspflicht sind wir gezwungen, der Verteidigung sämtliche Beweise schon im Voraus vorzulegen. Sobald die Anhörungen begonnen haben, ist es zu spät.
    Als die beiden Frauen merkten, dass Daniele von ihrer Gesellschaft genug hatte, siedelten sie um in ein nahe gelegenes bàcaro .
    »Weißt du«, ging Holly nun zum formloseren Du über, als sie schließlich jede mit einem Glas spritz an einem Tisch im hinteren Bereich der Bar saßen. »Eine ganze Reihe von Leuten wäre vermutlich der Ansicht, dass es reine Zeitverschwendung ist, die Nase in diese Sache reinzustecken. Die Geschichte nimmt ihren Lauf, die Leute vergeben und vergessen. Kroatien tritt der Europäischen Union bei, der Tourismus boomt … Was bringt es da, ein Verbrechen auszugraben, das vor fast zwanzig Jahren begangen wurde, in einem Krieg und in einem Land, das die meisten Leute heutzutage nicht mal mehr auf der Landkarte finden würden?«
    »Da ist was dran«, pflichtete Kat ihr bei. »Die meisten Leute wären wohl dieser Meinung.«
    Holly warf ihr einen Seitenblick zu. »Du etwa nicht?«
    Kat schüttelte den Kopf. »Du vielleicht?«
    »Nein«, gab Holly zu.
    »Ein Verbrechen