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Martha Argerich

Martha Argerich

Titel: Martha Argerich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bellamy
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Russisch gelernt, um sich mit den Einheimischen verständigen zu können. Sie wollte
alles sehen, alles besuchen, alles kennenlernen. Anfangs war der Geiger von Panik erfüllt, weil die Pianistin nie mit ihm üben mochte. »Wir steuern geradewegs auf eine Katastrophe zu«, stöhnte er. Doch abends lief dann immer alles wunderbar glatt. Jedes Mal, erzählt Ricci, zauberte sie aus ihrem Klavier die verschiedensten Farben hervor und entwickelte musikalische Ideen, auf die niemand sonst gekommen wäre. Irgendwann tat der Geiger es ihr nach und versuchte seinerseits sie zu überraschen. Es dauerte nicht lange, und sie verschmolzen regelrecht zu einem einzigen Musiker . Eine perfekte Osmose, die ohne jede vorherige Abstimmung erfolgt war.
    Um sie von Stadt zu Stadt zu führen und ihnen die Kontakte vor Ort zu erleichtern, hatte die offizielle Agentur Goskonzert ihnen eine sehr kompetente, aber nicht eben attraktive Dolmetscherin zur Seite gestellt. Als die Veranstalter dann auf Martha in ihrem jugendlichen Überschwang trafen und feststellen mussten, dass auch Walma Ricci eine sehr schöne Frau war, tauschten sie von einem Tag auf den anderen ihre Dolmetscherin durch eine deutlich hübschere aus – sehr zum Amüsement der Musiker! Goskonzert hatte dem Ehepaar Ricci komfortable Zimmer in irgendwelchen Luxushotels besorgt, während Martha, die als einfache Klavierbegleiterin betrachtet wurde, in deutlich
bescheideneren Etablissements übernachten musste. Mit den Zügen war es das Gleiche: Die Riccis fuhren mit dem Schlaf-
wagen, während Martha ihr Liegewagenabteil mit fremden Leuten teilen musste. Als echter Kavalier bestand der Geiger jedoch darauf, dass sie die Plätze tauschten.
    Im Laufe ihrer Karriere fühlte Martha immer wieder eine gewisse Nähe zu russischen Musikern. Mstislaw Rostropowitsch beeindruckte sie sehr, denn er war der Freund und Inspirator großer Komponisten wie Prokofjew, Schostakowitsch oder Britten gewesen. Der Cellist, der in der Sowjetunion regelmäßig mit Swjatoslaw Richter aufgetreten war, hatte ein Auge auf Martha geworfen, kaum dass er in den Westen übergesiedelt war. Martha ihrerseits verliebte sich in seine Klangfülle; zusammen mit Jacqueline du Pré und Mischa Maisky zählte er zu ihren bevor-
zugten Cellisten. Sie spielten mehrere Platten mit Kammer-
musik zusammen ein, die ihre perfekte Harmonie bezeugen. Als er 1977 Chefdirigent des National Symphony Orchestra in
Washington wurde, lud Slawa sie oft ein, mit seinem Orchester zu spielen. Doch diese Aufnahmen sind nicht ganz so überzeugend, was an Rostropowitschs leicht schwerfälligem Dirigat liegt. Die Leidenschaft, die er für Martha hegte, war seiner Frau, der Sängerin Galina Wischnewskaja, ein Dorn im Auge. Gerüchte besagen, dass die Beziehung zwischen der Argentinierin und dem Russen über das rein Musikalische hinausging. Martha behauptet, sich an nichts mehr erinnern zu können. Doch sie schließt auch die Möglichkeit nicht aus, dass ihr Verehrer chemische Substanzen benutzt haben könnte, um an sein Ziel zu gelangen … Musikalisch blieb sie ihm treu bis zu seinem Ende. Ein paar Monate vor dem Tod ihres alten Freundes trat sie in der Pariser Salle Gaveau mit dem Orchestre Colonne unter Laurent Petitgirard (der den erkrankten Rostropowitsch vertrat) mit Haydns Klavierkonzert D-Dur auf, um seine Stiftung zur Förderung junger russischer Künstler zu unterstützen. Juanita fand, dass Rostropowitsch Ähnlichkeit mit Beethoven habe. Sie löcherte ihn ohne Unterlass: »Na, wann entsteht deine erste Symphonie?« Nikita Magaloff war wütend auf den Cellisten: »Er behauptet immer, dass er mich liebt, dass ich sein Bruder bin – was für ein Unsinn!« Auch Swjatoslaw Richter hatte im Laufe der Jahre seine Sympathien für Slawa verloren: »Ich spiele nicht mehr mit ihm. Er hat einen neuen Partner gefunden.« – »Wen?«, wurde er dann gefragt. »Na, die Berliner Mauer!«, erwiderte Richter.*
    * Mstislaw Rostropowitsch setzte sich zeitlebens für Demokratie und Menschenrechte ein und spielte einen Tag nach dem Fall der Berliner Mauer, am 11. November 1989, für die wiedervereinigten Deutschen am Checkpoint Charlie Cello.
    »Armer Widder!«, bedauert Martha liebevoll ihren einstigen Verehrer. »Wie sollte er sich gegen einen spitzzüngigen Fisch schon wehren können?«
    1978, beim Ivry Gitlis’ Festival in Vence, lernte Martha einen weiteren Musiker aus der damaligen Sowjetunion kennen, der einer ihrer engsten Partner und Freunde

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