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Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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übernommen.
    Und so beobachtete Karen durch die Kamera des Handys ihren Sohn, der sich ein weißes Tuch über den Daumen stülpte und wie ein wahnsinniger Voodoo-Hexer mehrmals eine Nadel hindurchjagte. Kein Blut war zu sehen.
    Mark riss das Tuch hoch und hielt begeistert seinen unversehrten Daumen hoch. »Hast du’s drauf, Mama? Hast du richtig nahe rangezoomt? Was sagst du dazu? Ist das nicht geil?«

18 »In zweieinhalb Stunden sind wir am Glencoe Pass«, verkündete Bernd. »Wenn wir dann Loch Ness links liegen lassen, sind wir noch heute Abend in Speyside. Dort ist unser kleines Hotel, gleich bei der Destillerie. Dann gibt es noch heute eine erste Kostprobe schottischen Whiskys.« Er warf die letzte Tasche in den Kofferraum, mit einem dumpfen Knall landete sie am Rücken der Meerjungfrau.
    Karen zuckte kurz zusammen. Im Auto roch es mittlerweile unverkennbar nach modrigem Holz. Als ob sie in einem alten Sarg durch die Gegend fuhren. Aber das war egal. Bald waren sie das Ding los, da war sie sich jetzt, nach der Zaubervorstellung, sicher. Martha würde schon irgendetwas mit der Figur anstellen. Wahrscheinlich war sie eine Requisite für die nächste Show und Glen Manor so eine Art Hogwarts für Alte. Eine Seniorenresidenz für Zauberkünstler im Ruhestand vielleicht? Warteten dort noch mehr alte Freunde? Rob Roy war vielleicht ein schottischer Magier aus den fünfziger Jahren. Das lag doch nahe, warum war Karen nicht gleich darauf gekommen? Lysander hieß schließlich kein Mensch. Rob Roy war ein Künstlername, wie Dixie und Lysander. Und selbst wenn sie die Figur dort nicht loswurden, so konnte Mark die Meerjungfrau vielleicht mit einem neuerlernten Trick verschwinden lassen. Karen schüttelte amüsiert den Kopf, immer noch fassungslos beim Gedanken an Marks Zaubervorstellung. Lysander hatte ihren Sohn verzaubert, im wahrsten Sinne des Wortes.
    Karen sah aus dem Autofenster hoch zu Bernd, der neben dem Wagen stand und die Karte studierte. »Ich dachte, wir wollten noch zum Loch Ness? Liegt das nicht auf dem Weg?«
    »Nessie, Nessie«, rief Teresa. Sie saß bereits auf ihrem Platz neben Martha. »Dann kann Tante Martha Nessie herbeizaubern. Kannst du das, Tante Martha? Und dann zeigst du mir, wie das geht.«
    Martha schüttelte den Kopf. »Nessie kommt nur, wenn sie will, Teresa. Man kann sie nicht zwingen.«
    Na, wer sagte es denn. Karen schmunzelte. Das lästige Kapitel Loch-Ness-Monster war also auch erledigt. Marthas karierter Rock war ebenfalls nicht wieder aufgetaucht. Kein Wahnsinn und keine Schizophrenie in der Thieme-Familie. Dafür aber unerwarteter Glamour. Künstler. Wer hätte das gedacht? Sogar auf Video aufgenommen, um es den neidischen Freunden zu Hause vorzuführen. Meine Großtante unter der Kreissäge . Besser ging’s nicht. Noch ein letzter Blick auf die verwinkelten Straßen Edinburghs, und dann ab in die Highlands.
    Bernd klopfte draußen aufs Autodach. »Alles klar? Alle an Bord?«
    »Warum fahren wir denn auf einmal nicht mehr zum Loch Ness?«
    »Hm?« Bernd sah kurz von der Landkarte hoch.
    »Die ganze Zeit war davon die Rede. Und jetzt auf einmal nicht mehr. Ich meine, wenn wir schon einmal hier sind?«
    »Weil es ein Umweg ist. Da verlieren wir mindestens zwei Stunden.«
    »Wir verlieren doch keine Zeit. Wir haben Urlaub! Ob wir nun eine Stunde früher oder später im Hotel ankommen, das ist doch völlig egal. Wir haben noch zwei ganze Wochen dort.« Karen drehte sich nach hinten. »Martha? Was meinst du?«
    Martha war gerade dabei, Teresa ein neues Himmel-und Hölle-Spiel zu falten. »Was?«
    Bernd räusperte sich. Dann streckte er den Kopf durch das offene Fenster und senkte die Stimme. »Karen, ich mache das in erster Linie für Martha. Sie ist es doch, die unbedingt schnell zu diesem Glen Manor will. Umso eher werden wir das blöde Holzding los.«
    »Nach Glen Manor, da können wir doch morgen immer noch hin. Was meinst du, Martha – fahren wir noch beim Loch Ness vorbei?«, fragte Karen laut.
    »Ja«, schrie Teresa. »Ja, zu Nessie!«
    »Schatz, es gibt kein Monster im See«, sagte Bernd. Ein Taxi hupte hinter ihnen. Sie blockierten den Hoteleingang. »Ja, ja«, knurrte Bernd. »Immer mit der Ruhe.«
    »Musst du das so sagen«, zischte Karen leise. »Das Kind freut sich doch so.« Da konnte Bernd ja auch gleich noch hinzufügen, dass der Weihnachtsmann eigentlich Herr Wachowiak im roten Mantel war und der Osterhase die blödsinnigste Erfindung, die Eltern sich je ausgedacht

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