Martin, Kat - Perlen Serie
sehen - und zugleich so unsicher gewirkt. Von dem Moment an, da sie ängstlichen Blickes in das Speisezimmer gekommen war, hatte er nach ihr verlangt. Noch nie hatte er sie so er- lebt, und Ethan wusste, dass es nur an ihrem Stiefvater lie- gen konnte. Allem Anschein nach hatte dieser Mann Grace ihr ganzes Leben lang dafür bestraft, dass sie das Kind eines anderen war. Doch dem würde Ethan von nun an ein Ende set-' zen, denn Grace war jetzt seine Frau, und er würde dafür sor- gen, dass ihr Respekt entgegengebracht wurde.
Er ließ sich noch einmal durch den Kopf gehen, was sich zwi- schen ihnen ereignet hatte, nachdem ihre Eltern gegangen wa- ren. Grace hatte ihn gebeten - nein, ihn sogar angefleht! -, die Vergangenheit ruhen zu lassen und ihnen beiden eine Chance zu geben. Seit sie mit ihm unter einem Dach lebte, hatte ihn diese Vorstellung zunehmend zu quälen begonnen, war ihm aber auch mit all ihren Möglichkeiten unendlich verlockend erschienen. Allerdings würde er nie vergessen können, was ihm und seinen Männern geschehen war - selbst wenn er es versuchte. Wahrscheinlich wollte er es einfach nicht verges- sen.
Dies änderte allerdings nichts daran, dass Grace seine Frau war und ihrer beider Leben von nun an miteinander verbun- den waren. Vielleicht ließ sich ja doch ein Weg finden, der ihnen eine gemeinsame Zukunft wies, statt nur immer in die Vergan- genheit zu zeigen. Aber es würde nicht einfach sein, und er brauchte Zeit.
Und bis er so weit war, würde er Grace weiter auf Distanz halten müssen.
Nach ihrer leidenschaftlichen Begegnung im Salon sah Grace ihren Mann nur noch selten. Glücklicherweise hatte sich zu- mindest ihre morgendliche Übelkeit gelegt, die sie in den
ersten Monaten der Schwangerschaft verspürt hatte, und sie konnte die Vormittage wieder damit verbringen, im Garten spazieren zu gehen oder zu lesen. Die Nachmittage verbrachte sie mit Freddie. Wenn seine Schulstunden vorüber waren, fand der Junge immer noch Zeit für seinen Navigationsunterricht bei Grace.
Und so verging die Woche, und der Ball rückte immer näher. Es war Ende Juni, und eine Hitzewelle hatte die Stadt erfasst. Tory, die zunehmend unter ihrer Leibesfülle litt, sah sich ge- zwungen, so viel wie möglich zu ruhen, und hatte ihre jüngere Schwester Claire gebeten, auch noch die verbleibenden Vorbe- reitungen für den Ball zu übernehmen.
„Madame Osgood wird dich nicht enttäuschen", meinte Claire und lächelte auf ihre bezaubernde Art. „Dein Ballkleid wird so schön werden, dass alle anderen Damen an diesem Abend vor Neid erblassen werden."
Nach weiteren Anproben wurde das Kleid schließlich gelie- fert. Es hatte eine hochangesetzte Taille, und über der dunkel glänzenden, smaragdgrünen Seide lag ein Rock aus Goldbro- kat, auf dem unzählige Bergkristalle funkelten. Bei jedem Schritt gewährte ein kniehoher Schlitz einen dezenten Ein- blick auf Grace' wohlgeformte, schlanke Waden.
„Du wirst sehen", rief Claire aufgeregt, „dein Mann wird dir nicht widerstehen können!"
Grace konnte nur hoffen, dass Claire Recht hatte. Seit dem leidenschaftlichen Kuss im Salon hatte er bewiesen, dass er ihr sehr wohl zu widerstehen vermochte.
Endlich war der Tag gekommen, an dem der Ball stattfinden sollte. Da Victoria Easton sich immer noch unwohl fühlte, hatte Claire den Duke of Sheffield um seine Hilfe gebeten, und nun würde der Ball nicht wie geplant im Hause Lord Brants statt- finden, sondern in dem prächtigen Stadtpalais des Dukes. „Das war eine gute Idee", bemerkte Rafe nun zu Cord, als sie beide zusammen mit Ethan am Rande der Tanzfläche stan- den. Um sie herum wogte ein Meer elegant gekleideter Damen und Herren, die vergnügt lachten und zur Musik eines acht- köpfigen Orchesters tanzten, das die blauen Livreen des Dukes trug.
„Vielen Dank, dass du eingesprungen bist", sagte Cord zu Rafe. „Dein Haus ist geräumiger, und dein Name wird sicher
auch helfen, endlich die Gerüchte verstummen zu lassen." Ethan ließ seinen Blick über die Tanzenden schweifen und hoffte, dass seine Freunde Recht hatten. Der Ballsaal nahm fast das gesamte zweite Stockwerk von Sheffield House ein. An den Wänden befanden sich hohe vergoldete Spiegel, der kunstvoll eingelegte Parkettboden glänzte, und schwere Kris- talllüster tauchten den Saal in ein strahlendes Licht.
„Deine Frau sieht heute Abend wunderschön aus", stellte Rafe fest und sah zu Grace hinüber, die zwischen den anderen Paaren tanzte. „Unter den
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