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Masken der Lust (German Edition)

Masken der Lust (German Edition)

Titel: Masken der Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Mack
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gegeben, deren Leben sie sich ausgeborgt hatten. Die schweren Perlen lagen warm an ihrer Kehle – sie hob eine Hand, um sie zu berühren –, und ein Anhänger aus Smaragden und Perlen nistete zwischen ihren Brüsten. Sacht zitterten die tränenförmigen Perlohrringe, die das Ensemble vervollständigten, während sie über die Menge hinwegblickte und von jähem Lampenfieber ergriffen wurde.
    Sie wusste, dass sie gut aussah. Eine der Hausdienerinnen, eine junge Türkin, hatte ihr die Augen mit dunklem Khol geschminkt, ihre Haut mit einem wahrscheinlich hochgiftigen Pulver geweißt und zu guter Letzt ihre Lippen karminrot gefärbt. Der Gesamteindruck war blendend. Doch es hätte genauso gut eine Maske sein können.
    In diesem Augenblick begriff Sarah, was es bedeutete, eine Kurtisane zu sein. Ihr Gesicht, ihr Körper, der Schmuck und ihr Putz waren es, was Ansehen in dieser Gesellschaft genoss, nicht sie. Sie wurde buchstäblich wie ein Stück Fleisch begafft. Sie war das schönste Steak aller Zeiten.
    Trara. Ihr großer Auftritt war im Gange, und sie kam sich wie eine Närrin vor, wie sie da oben an der Treppe des Ballsaals stand. Auf einmal wollte sie nur noch nach Hause. Von tausend Leuten angestarrt zu werden war eine wirklich schräge Erfahrung.
    Die Leute tuschelten und zeigten auf sie. Ihr war, als sprächen einige darunter von ihrem Haar. Venezianerinnen nahmen viel auf sich, um ihres zu bleichen, und Blondinen wurden sehr bewundert. Sarahs Locken strahlten am hellsten von allen, und sie wusste, dass Marco stolz war, mit ihr gesehen zu werden. Welchen Wert das auch immer haben mochte.
    Sie war gern mit ihm zusammen, nicht aber mit dieser Meute. Schlagartig erkannte sie, dass die großen venezianischen Maler ihre Rabaukenfreunde als Modelle für festliche Szenen und keine in Brokat gewandete Aristokraten herangezogen haben mussten. Sie wirkten allesamt so unwirklich und eigenartig steif. Viele der Männer trugen Perücken, Wadenpolster und hochhackige Schuhe, und die Frauen übertrafen sich gegenseitig mit künstlichen Locken, ausgestopften Miedern und samtenen Schönheitsflecken.
    Die sagenhafte Vergangenheit war nicht so glamourös, wie sie sich vorgestellt hatte, bei weitem nicht. Niemand blickte ihr freundlich entgegen, überall erkannte sie nur die kalte Einschätzung dessen, was sie am Leib trug und was ihr in die Wiege gelegt worden war. Sie schaute von einem Antlitz zum nächsten. Da waren schöne Frauen, gutaussehende Männer und leidlich gewöhnliche Gesichter beiderlei Geschlechts. Es waren ihre Mienen, die einander ähnelten. Hochmütig. Gemein sogar. Wie sie und Marco hatten die meisten ihre Masken abgenommen. Sarah wünschte, sie hätten es nicht getan. Ein kostbar gekleideter älterer Mann trat vor, um sie von Kopf bis Fuß zu begutachten, und bedachte sie mit einem missfälligen Stirnrunzeln.
    «Ganz Venedig ist heute Nacht hier», flüsterte ihr Marco zu. «Die Schönen und die Verdammten.» Er lächelte der versammelten Gesellschaft liebenswürdig zu.
    «Die Schönen kann ich sehen. Mit den Verdammten könnte man vielleicht besser feiern.»
    Marco machte eine tiefe Verbeugung, die dem älteren Mann am Fuß der Treppe galt. «Ein anderes Mal vielleicht», sagte er leise durch die Zähne. «Das ist der Herzog. Mach einen Knicks. Nick ihm zu. Lächle anmutig.»
    «Der Herzog ist mir egal. Ich bin Amerikanerin. Ich muss so etwas nicht tun.»
    «Doch, das musst du. Spiel deine Rolle, Sarah.»
    Sie rang sich ein flüchtiges Lächeln ab, knickste andeutungsweise und neigte den Kopf vage in die Richtung des Herzogs. Alle, die innegehalten hatten, um ihre Schönheit zu bewundern, wandten sich ab.
    Welch eine Begrüßung. Sie und Marco stiegen Arm in Arm in den Ballsaal hinunter, während die Musik wieder einsetzte. Sie bewältigte die Pavane, die er ihr beigebracht hatte, und noch zwei weitere Tänze, schlug aber die Hand eines venezianischen Stutzers aus, der sie ihr für den nächsten Tanz anbot. Marco warf ihm einen feindseligen Blick zu, und der Abgeblitzte trollte sich, um Trost bei einem geistigen Getränk und einem Teller Austern zu suchen.
    In den Ecken des vor Lärm widerhallenden Ballsaals fanden zahlreiche Kartenspiele statt, und es gab Nischen mit Vorhängen für Liebespärchen. Sarah fragte sich, ob sie sie geflissentlich übersehen sollte. Doch das gelang ihr nicht. Wedelnde Fächer und klimpernde Wimpern wirkten Wunder bei den Männern, die, den erregten Gesichtern der Frauen nach zu

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