Maskenball
wie auch immer vermutete Schuld seines Vaters tilgen wollte. Oder sich hatte bereichern wollen. Obwohl aus dem Fokus der Ermittlungen heraus, nahm Frank sich vor, auf jeden Fall Verhoeven vorzuladen. Denn immerhin hatte Herbert Verhoeven mit ihnen Versteck gespielt. Auch wenn er ein Sonderling war, wollte Frank Erklärungen für dessen Verhalten.
Frank seufzte. Krüger kam ihm wieder in den Sinn. Wo mochte der alte Mann nur abgeblieben sein? Ihn wunderte es, dass sich noch keine Streifenwagenbesatzung gemeldet hatte.
Was mochte in Krüger vorgehen? Der alte Mann musste in Panik sein. Anders konnte sich Frank das Verhalten des Rentners nicht erklären. Ob Heinrich Krüger eine Vermutung hatte? Ob er den Mörder kannte oder zumindest seine Identität ahnte? Krüger musste einen Schock erlitten haben, als er von Lisa angesprochen worden war. Frank hatte Krüger bisher so wenig wie möglich über seine aktuellen Mordermittlungen erzählt. Das hatten ihm allein sein Beruf und seine Verschwiegenheitspflicht geboten, aber er hatte den alten Mann auch nicht unnötig aufregen wollen.
Nach allem, was Frank über Krüger in der doch kurzen Zeit seines Aufenthalts bei Lisa erfahren hatte, musste Heinrich Krüger im Krieg Schlimmes erlebt haben. Mehr als ein junger Mensch je würde verkraften können. Krüger hatte ihnen von schlaflosen Nächten und grausamen Albträumen erzählt, die ihn all die Jahrzehnte nach dem Krieg nicht losgelassen hatten. Auch sein Leben in England, das so ganz anders verlaufen war, als es am Niederrhein verlaufen wäre, hatte ihn davor nicht schützen können. Trotz der anderen Sprache und der anderen Kultur habe er den Dämon in ihm nicht bändigen können, hatte er ihm an einem der wenigen Abende erzählt, die sie gemeinsam in Lisas Wohnung zugebracht hatten. Frank hatte sich an jenem Abend umso mehr gewundert, dass Krüger den Weg zurück an den Niederrhein zu den Wurzeln seiner eigenen Geschichte gewagt hatte.
Aber Krüger hatte nur gelächelt und erklärt, dass er der jungen Generation gegenüber eine Verpflichtung habe, der er gerne nachgekommen sei. Und die Zuneigung und Wärme der Schülerinnen und Schüler habe ihm schließlich recht gegeben. Er habe jedenfalls den Weg über den Kanal nicht bereut. Und mit einem charmanten Seitenblick auf Lisa und ganz britischer Gentleman hatte er betont, dass er sonst auch nicht die Bekanntschaft seiner bezaubernden Gastgeberin gemacht hätte. Ein Fehler und ein Versäumnis, das er sich sicher nie verziehen hätte. Lisa hatte dann verlegen gelacht und war förmlich neben Krüger auf der Couch weggeschmolzen vor Rührung. Frank freute sich, dass Krüger und Lisa sich so gut verstanden. Das hatte dem alten Mann die Begegnung mit der Vergangenheit sicher ein gutes Stück leichter gemacht.
Lisa. Frank wählte ihre Nummer und vergewisserte sich, dass bei ihr alles in Ordnung war. Leider konnte er ihr nicht sagen, dass Krüger schon in Sicherheit war. Anschließend fragte er bei den Kollegen auf der Leitstelle nach, ob es Neuigkeiten gab. Aber es gab keine, hatte der diensthabende Dienstgruppenleiter bedauert. Lisas Sicherheit stehe bei ihnen ganz oben auf der Liste. Von der Wache am Bahnhof sei es schließlich nur ein Katzensprung bis zu Lisas Wohnung.
»Darf ich kurz stören?«
Frank fuhr herum. Er sah Viola Kaumanns fragenden Blick. Er hatte das Klopfen nicht gehört. »Klar, kommen Sie herein und setzen Sie sich.« Frank deutete auf Eckis Platz. »Oder kommt Ecki auch? Dann müssen Sie sich mit dem Besucherstuhl zufriedengeben.«
Viola Kaumanns schüttelte den Kopf. Ihre kurz geschnittenen Haare leuchteten noch roter als sonst.
»Nee, Ecki ist noch beschäftigt. Er wird so schnell nicht zurück sein.« Viola Kaumanns setzte sich auf den Besucherstuhl und sah Frank abwartend an.
»Und? Was gibts?« Viola Kaumanns hatte die seltsame Gabe, ihn immer wieder zu verwirren, dachte Frank.
»Ich habe mir so meine Gedanken gemacht.«
»Aha.«
»Über unseren Fall.«
»Aha. Unser Fall, soso«, dachte Frank.
»Ja, ich meine, nachdem nun klar ist, dass weder Köhler noch der Sohn von Verhoeven als Täter in Frage kommen.«
»Und?«
»Ja, ich meine, dass …«
»Was meinen sie, Frau Kollegin.« Das »Kollegin« geriet Frank eine Spur zu ironisch.
»Also, ich …«
»Immer raus mit der Sprache, keine Hemmungen. Sie sind doch sonst nicht auf den Mund gefallen.«
»Jetzt reichts.« Viola Kaumanns Gesicht lief rot an. Sie holte tief Luft. »Können Sie mir
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