Maskenball
mal sagen, warum Sie mich immer wie ein dummes Mädchen behandeln? Habe ich Ihnen etwas getan? Macht Ihnen das Spaß, eine Kollegin vorzuführen, Herr Borsch? Ich bin kein kleines Kind mehr, Herr Kollege, ich habe meine Ausbildung genauso absolviert wie Sie. Ich brauche mir Ihr Verhalten nicht bieten zu lassen.«
Frank war sprachlos. Darauf war er nicht gefasst gewesen. »Also, liebe Frau Kaumanns …« Jetzt klang Frank hilflos. Das ärgerte ihn ungemein.
»Sparen Sie sich das ›liebe Frau Kaumanns‹. Ich will keine Sonderbehandlung. Ich will nur, dass Sie mich ernst nehmen. Nicht mehr und nicht weniger. Denn ich fühle mich wohl bei der Polizei. Und ich bin davon überzeugt, dass ich im KK 11 genau richtig bin.« Viola Kaumanns klang wieder gewohnt kämpferisch.
»Na gut.« Mehr fiel Frank dazu nicht ein. Wie gesagt, Viola Kaumanns hatte das Talent, ihn zu irritieren. »Dann sagen Sie mal, was Sie bewegt.«
»Also«, Viola Kaumanns holte wieder tief Luft. »Ich habe mir über diesen Friedrich Flusen Gedanken gemacht. Er hat ja ein schreckliches Ende gefunden. Damals im Krieg. Ermordet von einem perversen Schlächter.«
»Ja?« Frank lehnte sich erwartungsvoll zurück.
»Ich habe versucht, im Internet nach Friedrich Flusen und diesem Hans Lehnert zu forschen. Ich bin allerdings nicht weit gekommen. Ich kann nichts finden, was auf die beiden hindeutet.«
»Soweit waren wir auch schon.« Als Frank merkte, dass Viola Kaumanns ihn missverstehen könnte, schob er ein »Wir setzen unsere Hoffnung ganz auf den Kollegen Schrievers« hinterher.
»Sie haben ja berichtet, dass der Mann, der in Whitby die Wohnung auf den Namen Flusen gemietet hat, alt sein muss.«
»Korrekt.«
»Um an dieser Stelle weiter zu kommen, habe ich mir gedacht, wir schicken einfach mal das Foto, dieses Soldatenbild, an die Kollegen in England.«
»Und? Was soll das bringen?« Frank war skeptisch.
»Immerhin ist es das einzige Dokument, das wir mit dem Namen von Flusen in Verbindung bringen können. Vielleicht fällt den Kollegen ja was auf. Irgendetwas, was wir übersehen haben.«
Frank wollte sich nach dem Gefühlsausbruch der Kollegin auf keinen Fall erneut ihren Zorn zuziehen. Und was hatten sie schon zu verlieren? »Ich weiß zwar nicht, was uns das helfen könnte, schaden kann es jedenfalls nicht. Wenn Sie meinen, dann schicken Sie eine Mail nach Whitby. Besser, wir tun überhaupt etwas, als hier einfach nur abzuwarten.« Frank sah Viola Kaumanns auffordernd an.
»Mach ich gleich. Auf jeden Fall. Vielleicht finden sie in den Sachen, die noch in der Wohnung sind, einen Hinweis. Es kann doch sein, dass der ominöse Fotograf noch andere Fotos gemacht hat, die vielleicht auch bei den Sachen gefunden wurden. Und daraus ergibt sich vielleicht ein Querverweis, der uns auf die Spur des Fotografen bringt. Wäre doch möglich.« Viola Kaumanns Wangen glühten. Aber diesmal nicht aus Zorn, sondern vor Tatendrang. Viola Kaumanns hatte endlich das Gefühl, zur Mordkommission zu gehören.
»Dann verlieren Sie nur keine Zeit. Ich hoffe, Sie haben Erfolg.«
Viola Kaumanns nickte. »Wäre doch möglich.«
»Wer weiß? Ich bin gespannt. Können Sie Englisch?«
»Es wird sicher reichen. Ich war schon ein paar Mal auf der Insel. Als Schülerin in London und dann später in Cornwall.«
»Na, dann ist die Sache ja in guten Händen.« Frank sah, wie seine Kollegin die Stirn runzelte. Dabei hatte Frank den letzten Satz nun wirklich nicht ironisch gemeint. »Viel Glück.«
»Vielen Dank.« Viola Kaumanns machte keine Anstalten, das Büro zu verlassen.
»Haben Sie noch etwas auf dem Herzen?« Franks Stimme klang diesmal aufmerksam.
Viola Kaumanns sah ihm direkt in die Augen. »Ich weiß, dass Ecki verheiratet ist. Und dass er glücklich mit seiner Marion ist. Ich habe da gar keine Ambitionen. Das weiß Ecki auch.«
Frank war völlig baff. »Warum erzählen Sie das ausgerechnet mir?«
»Sie sind doch sein Freund. Und Sie sollten es wissen. Sie haben sich bestimmt schon Gedanken gemacht.«
Bevor Frank antworten konnte, war Viola Kaumanns schon zur Tür hinaus.
XXVII
Frank öffnete die Tür zum Büro von Heinz-Jürgen Schrievers.
»Morgen, Heinz-Jürgen. Wie isset?« Frank blieb im Türrahmen stehen.
Heinz-Jürgen Schrievers stand mitten im Getümmel. Um ihn herum waren sämtliche Schubladen der grauen Aktenschränke ganz oder halb geöffnet. Auf seinem Schreibtisch türmten sich Aktenordner und Schnellhefter bunt durcheinander. Die meisten von
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