Matharis Kinder (German Edition)
düstere Andeutung in Punjas letzten Worten ging unter im köstlichen Duft von Suppe und ofen warmem Brot.
Pariko vermochte nichts zu essen. Mit nass geschwitzten Haaren und glasigen Augen saß er am Tisch. Seine Umgebung schien er kaum noch wahrzunehmen.
Punja erkannte schnell, dass dieser Gast weder Suppe noch Brot brauchte, sondern eine rasch hergerichtete Lagerstätte neben dem Herd und einen Stapel Decken.
Schnell hatte sie alles bereit, half dem Kranken, sich hinzulegen, stopfte die warmen Hüllen energisch unter ihm fest. Erst als sie ihren Patienten versorgt wusste, setzte sie sich an den Tisch, um mit den anderen Gästen zu essen.
Lange hielt sie es auf ihrem Stuhl nicht aus. Als ob ihre Neugier im nächsten Augenblick ein Loch in das Holz unter ihr brennen würde, sprang sie auf und begann mit viel Getöse in der Küche herumzuwirtschaften.
Nachdem Janael seinen Löffel in den Teller gelegt hatte, ließ Punja sogleich alles stehen, um sich wieder an den Tisch zu setzen.
Es war nicht einfach, ihr den Grund für die gefahrvolle Reise zu erklären. Janael musste möglichst nahe bei der Wahrheit bleiben. Mit Ausnahme der Wandler konnte ein Blumenhüter nicht lügen, ohne dass seine Haut ihn verraten hätte.
Punja wusste nichts vom Geheimnis der Mathari-Blumen. Sie gab sich mit der Erklärung zufrieden, ihre Gäste hätten in Lopunien Medizinpflanzen geholt. In gewissem Sinne ent sprach dies sogar der Wahrheit. Nur Janaels zartgrün schimmernde Haut war darüber anderer Meinung. Glücklicherweise kannte Punja sich mit solchen Feinheiten nicht aus.
Nun war Janael an der Reihe, Fragen zu stellen.
Punja nickte, stützte die verschränkten Arme auf den Tisch und begann zu erzählen …
Vor dreißig Jahren hatte in diesem Haus ein neues Kapitel in der Geschichte Lopuniens begonnen. Ein Kapitel, das dem Lauf dieser Geschichte vielleicht doch noch eine überraschende Wendung abzutrotzen vermochte.
Es begann an jenem Tag, als zwei Männer vom Volk der Kleinen Leute an die Türe von Maritas Haus klopften. Auf der Bahre, die sie zwischen sich trugen, lag ein Sterbender. Die beiden Männer hatten ihn durch die Sümpfe getragen.
„Wir bitten dich um deine Hilfe“, sagte der eine.
„Unsere Heiler können nichts mehr für ihn tun“, fuhr der andere fort, „man sagte uns, du seist auch eine Heilkundige. Dieser Mann wird die nächsten Stunden nicht überleben. Vielleicht kannst du seine Schmerzen lindern.“ Leise fügte er hinzu: „Sie werden ihn bestimmt überall suchen. Hier könnte er wenigstens in Frieden sterben.“
Marita nickte und trat beiseite.
„Legt ihn hier auf den Tisch“, sagte sie ruhig, „ich will sehen, was ich für ihn tun kann.“
Die beiden Männer taten, wie ihnen geheißen. Dann verneigten sie sich vor ihr und legten ihre Hände auf die Brust.
„Wir danken dir für deine Güte“, murmelten sie.
Gleich darauf verschwanden sie in der Kühle der herein brechenden Dämmerung.
Einige Sekunden lang starrte Marita auf die sorgsam ins Schloss gezogene Tür. Danach wandte sie sich dem leise stöhnenden Mann auf ihrem Küchentisch zu.
Die Hüterin des kleinen Hauses am Fuße des Kari-Gebirges hatte schon viele grausame Verletzungen gesehen. Doch das, was ihre zitternden Finger jetzt unter den verklebten Verbänden zutage förderten, zwang sie, sich hinzusetzen.
Brust, Bauch und Rücken des Mannes waren eine einzige, grauenvolle Wunde. Viele der Verletzungen gingen bis auf die Knochen – dennoch hatte nicht eine Einzige davon das Leben dieses Menschen in unmittelbare Gefahr gebracht. Das war es, was die Frau am meisten erschütterte: wer auch immer hier sein grässliches Werk getan hatte, musste über das Wissen eines Heilers verfügt haben. Er hatte sein Wissen missbraucht, um den Tod dieses Körpers zu verhindern – und ihm gleichzeitig die größtmöglichen Schmerzen zuzufügen!
Marita zwang sich, aufzustehen. Die zwei Kleinen Leute hatten recht gehabt. Dieser Mensch lag im Sterben. Die vier oder fünf Tage alten Wunden hatten sich entzündet, waren brandig geworden. An verschiedenen Stellen begann das Gewebe bereits abzusterben. Er hatte höchstens noch ein paar Stunden zu leben … wenn sie sich jetzt nicht aufraffte, und endlich tat, was zum Kuckuck nochmal ihre Pflicht war als Heilerin!
Der Mann war bewusstlos. Er würde also nicht spüren, was sie tat. Mit versteinertem Gesicht machte sie sich an die Arbeit, begann zu waschen, zu spülen und
Weitere Kostenlose Bücher