Matrjoschka-Jagd
war übersät mit kleinen, runden Löchern mit braunen Rändern. Über dem Doppelbett hing schief eine kitschige Malerei, eine Winterszene, die untergehende Sonne im Hintergrund, vorne trabte ein Pferdegespann, schwarze Pferde im rötlich schimmernden Schnee.
Die Vorhänge hatten die Farbe von Nikotinschwaden. Nore Brand riss ein Fenster auf, der Griff fühlte sich klebrig an. Die Tür zum Badezimmer war offen. Man würde sie besser geschlossen lassen. Der Vorhang, der Lavabo und Toilette trennte, war übersät mit Flecken. Sie trat ins Badezimmer und drehte den Wasserhahn auf. Sie setzte sich auf den Rand der Badewanne und ließ das Wasser eine Weile fließen. Es dauerte eine Weile, aber es wurde tatsächlich heiß. Sie drehte den Wasserhahn wieder zu und trat ins Zimmer zurück.
Das gefilterte Licht schmerzte in den Augen. Aus dem Vorhang wehte ihr ein Geruch entgegen, der Geruch von vielen abgestandenen Jahren. Und hinter dem Geruch die große Einsamkeit, die in jedem Hotelzimmer lauerte. Sie stand eine Weile am Fenster und schaute hinaus.
Kurz darauf ging sie durch die Gaststube. Nino Zoppa wartete auf sie. »Und? Wie ist das Zimmer?«
»Ein Albtraum.«
Nino Zoppa grinste ihr aufmunternd zu. »Schlafen tut man jedenfalls nicht übel. Es ist ruhig, sobald ich den Flipperkasten nicht mehr traktiere, und hier wirst du garantiert nicht rausgeworfen.«
In diesem Augenblick rutschte die Wirtin vom Barhocker und bewegte sich leicht wankend auf ihre Gäste zu. »Was kann ich Ihnen bringen?«
»Für mich einen doppelten Espresso, bitte.«
»Für mich auch«, sagte Nino, »ausnahmsweise.«
Sie warteten schweigend, bis die Wirtin ihnen das Gewünschte herbeigeschafft hatte.
Nore Brand riss die Zuckertüte auf und schüttete den Inhalt in die Tasse. Sie betrachtete einen Augenblick die Fichte, die auf der Zuckertüte abgebildet war, dann warf sie diese in den Aschenbecher. Sie begann rasch und konzentriert zu rühren.
»Wir brauchen gar nicht erst auf den Bericht zu warten. Das war Mord. Es kann nicht anders sein.«
Nore Brand schaute auf. »Und wie kommst du auf diese Idee?«
»Jelena Petrovic hat etwas gewusst. Vielleicht ist sie sogar Zeugin gewesen. In irgendeiner Sache.«
Nino schaute sie von unten herauf an. »Im Dorf erzählt man sich, dass sie eine Affäre mit der Frau des Direktors hatte.«
»Von wem hast du das?«
Nino Zoppa deutete mit dem Kinn zur Bar, wo die Wirtin lustlos herumhantierte.
Aha.
»Der Direktor ein Mörder aus Eifersucht?«
Oh nein, der Direktor war kein dramatischer Mensch. Ein Mord aus Eifersucht passte schlecht zu ihm, so wenig wie ein lausig sitzender Tweedanzug. Vielleicht wäre er zu Mord fähig, vielleicht, aber es musste dabei um mehr gehen als um eine Frau.
»Wenn es eine Affäre war, bedeutet dies, dass das Ende absehbar war. Das heißt, der Direktor brauchte nichts zu befürchten. Wenn es sich tatsächlich nur um eine Affäre handelte«, setzte sie dann hinzu.
Nino starrte in seine leere Kaffeetasse. »Vielleicht hat die Frau Direktor selbst Hand angelegt. Vielleicht war die Sache nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatte.«
Er erhob sich entschlossen. »Ich gehe in die Bibliothek. Surfen. Ich habe einen Auftrag. Vorläufig bin ich dort.«
»Und ich unterhalte mich mit der Wirtin. Wer weiß. Sie gehört offenbar nicht zum Dorfklüngel. Ich hoffe, sie hat keinen Grund zu schweigen.«
Nino Zoppa nickte ihr zu und verließ die Gaststube.
Nore Brand wartete bei der Bar, bis die Wirtin wieder auftauchte.
»Ein kleiner Whisky?«, fragte die Wirtin. Die kalte Zigarette hing nachlässig in ihrer rechten Mundecke.
»Warum nicht. Bei diesem Wetter.«
Die Wirtin ließ ein heiseres Lachen ertönen. »Etwas gegen drohende Erkältungen also?«
Nore Brand ließ die Augen über die Flaschenreihe gleiten. »Einen ganz kleinen, aber den besten, den Sie haben.«
Die Wirtin zog bedauernd die Schultern hoch. »Der beste Whisky wird bei uns nicht mehr getrunken. Unsere Kundschaft kann sich den nicht mehr leisten.« Sie schaute Nore Brand prüfend an und zögerte. »Warten Sie einen Augenblick.« Dann verschwand sie hinter einer Tür. Einen Augenblick später war sie wieder da.
»Speyburn, aus der Hausbar. Den trinke ich nur an Silvester.« Sie verzog ihr Gesicht zu einem Lächeln und zeigte dabei eine Reihe von Nikotinzähnen. »Sozusagen ausschließlich an Silvester.«
Sie suchte zwei saubere Gläser. »Vor vielen Jahren hat sich ein Gast aus Schottland in unsere
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